Autor: Tom Burgas
Sacht mal wo kam eigentlich dieser Martin McDonagh her? Vor 10 Jahren kam auf einmal BRÜGGE SEHEN UND STERBEN raus, bekommt eine Oscarnominierung und jeder redet davon….mit Recht! 7 PSYCHOS war dann 4 Jahre später nicht ganz so geil, aber immer noch ein wunderbares Kleinod an Film. Als wäre McDonagh selber nicht mehr so zufrieden mit seinem letzten Werk, präsentiert er uns jetzt mit THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI sein Opus Magnum. Soviel sei gesagt, jeder verdammte Preis ist verdient!!! Dabei hatte ich ein wenig Angst, denn die Erwartungen waren riesig, nicht nur weil ich seine Vorgänger sehr mag sondern er mit Oscarnominierungen geradezu vollgeschissen wurde. Aber wo fängt man an bei diesem Mammutwerk purer unterhaltsamer Menschlichkeit an?
Die Geschichte einfach nur herunter zu spulen wäre ein gar unsinniges Unterfangen, da sie im Grunde nur der Startschuss für alles weitere ist. Um es kurz zu fassen: Frances McDormand spielt eine aggressive/starke/verzweifelte Mutter die es nicht mehr auf sich sitzen lassen kann dass der Vergewaltigungsmörder ihrer Tochter nach 7 Monaten immer noch nicht gefasst wurde und stellt im Sinne einer neuen Triebfeder 3 Plakate auf, auf denen zu lesen ist dass die Polizei im Grunde ihre Arbeit nicht macht. Da wir es hier mit einem kleinen fiktiven Südstaatenfleck zu tun haben, kommen dadurch ausgelöst viele kleine Ratten aus ihren Löchern gekrochen, jeder hat eine Meinung, seine Vorurteile…und seine Schwierigkeiten diese NICHT durch Gewalt vorzutragen.
Was darauf folgt ist ein meisterliches Kaleidoskop an Emotionen bei denen sich Witz und Drama fast schon im Sekundentakt abwechseln und man gar nicht weiß wie einem geschieht wenn einem die Tränen in die Augen schießen und sich diese in Lachtränen wandeln. Dass das perfekt funktioniert liegt…einfach an allem. Zum einen ist das Drehbuch einfach hinreißend stimmig, kein unnützes Beiwerk, nirgendwo Ballast. Zusätzlich verdient jede einzelne Figur einen eigenen Film. Wie Martin McDonagh es schafft jedem einzelnen Charakter (und das sind nicht wenige) genug Fleisch zu geben damit man zu jeder, ein Mindestmaß an Verständnis aufbringt ist fast schon beängstigend.
Aber das größte Ass zückt er mit seinen Schauspielern, diese legen einer nach dem anderen ihre ganz eigene Tour de Force auf die Linse. Die zwei Eckpfeiler sind hier Frances McDormand und Sam Rockwell und vielleicht noch Woody Harrelson (wenn auch mit weniger Screentime, dafür liegt dieser immer wie ein Schatten über dem ganzen Film). Die erstgenannten verdienen den Oscar und besonders wenn Rockwell ihn nicht erhalten sollte, stelle ich selber ein paar Plakate auf. Die Wandlung seiner Figur bringt einem zum Lachen, zum Weinen, in immer wehrender Abwechslung will man ihn verprügeln um ihn gleich danach wieder in den Arm zu nehmen, ganz großes Kino. Aber auch McDormand überzeugt als Emotionsexplosion der sogar John J. aus dem Weg gehen würde.
Obwohl die drei Personen im Oscar-Licht stehen sollte man festhalten dass alle eine famose Leistung abgeben und man jedes Gesicht aus anderen Filmen kennt, natürlich allen voran Peter Dinklage aus GAME OF THRONES, der mal wieder zeigen kann was für eine coole Schauspielkrönung er ist. Dass McDonagh im Grunde ein Kammerspiel mit vielen Charakteren auf größerem Kleinstadtraum schafft sieht man daran, dass andere Personen nie auch nur im Ansatz Raum bekommen, die Geschichte und die Kamera bleibt bei ihren Hauptfiguren womit das Gefühl aufkommt als bestehe die Stadt im Grunde nur aus rund 10 Menschen, Statisten oder gar Komparsen sind eine sehr rare Seltenheit.
Tonal ist es der melancholischste Film von Martin McDonagh, geht es hier zu großen Teilen um Verlust und wie man diesen Schmerz irgendwann nach draußen tragen muss, sobald man selbst nicht mehr mit ihm zurechtkommt. Trotzdem muss man keine Angst haben, dass THREE BILLBOARDS tragisches Kino ist welches einem aufzeigt dass die Welt scheiße ist. Eher zeigt McDonagh dass sie alles gleichzeitig ist und sie sich nicht dafür interessiert ob sie passend ist. Natürlich muss solch ein Setting dann in den vom Rassismus geplagten Südstaaten spielen, schließlich muss die Lunte ordentlich zündeln :-). Und das tut er auch!! Schöngeschminkte Hollywoodwitze oder Blockbuster-Grenzen braucht ihr nicht erwarten, harte zum Teil traurig machende Ironie trifft auf bitterböse sarkastische (optische) Gewalt.
Es ist schwer dieses Werk reflektiert und analytisch zu betrachten, denn zu sehr nahm es mich auf eine Reise mit, die einen an jeder Ecke durchprügelt und man danach dem Kino dankt, dass nicht alles zu Tode konzipiertes Popcornkino ist. Ecken und Kanten führen hier zur Perfektion und ich weiß einfach nicht wie sich Martin McDonagh nach DIESEM Ritterschlag überbieten will. Seinen Ehrenplatz als meinen derzeitigen Lieblingsregisseur hat er schon mal sicher, ob Kubrick da allerdings Platz machen will, weiß ich nicht.
PS: Um meine Frage vom Anfang zu klären, Mc Donagh bekam schon für seinen ersten Kurzfilm einen Oscar und ist gefeiert für seine Hörspiele…tja manche können es einfach.
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