KRITIK: BOHEMIAN RHAPSODY

© 2018 Twentieth Century Fox
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Autor: Michael Scharsig

Zum Inhalt: Das Musik-Biopic feiert die Rockband Queen, ihre Musik und ihren außergewöhnlichen Leadsänger Freddie Mercury. Freddie Mercury widersetzte sich Klischees, trotzte Konventionen und wurde so zu einem der beliebtesten Entertainer der Welt. Der Film erzählt vom kometenhaften Aufstieg der Band durch ihre einzigartigen Songs und ihren revolutionären Sound. Sie haben beispiellosen Erfolg, bis Mercury, dessen Lebensstil außer Kontrolle gerät, sich unerwartet von Queen abwendet, um seine Solokarriere zu starten.

Don’t Stop Me Now!

Ich liebe Musik. Es gibt keine passendere Einleitung für meine Besprechung von „Bohemian Rhapsody“, als diese drei Worte. Sowohl die musikalische Vielfalt und Spielfreude mutiger Kreativer, als auch das ikonische Auftreten des Lead-Sängers Freddie Mercury haben mein Leben geprägt. Auch heute noch lebt diese Begeisterung in mir, wenn ich aktuelle Live-Gigs von Muse, Imagine Dragons oder The Struts genieße. Irgendwo war da am Anfang immer Queen. Und das bleibt auch immer so. Und dann erscheint da Rami „Mr. Robot“ Malek auf der Leinwand und will genau dieser Legende wieder Leben einhauen?

 

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Noch unverschämter: Er tut es! Der Mann spielt nicht Mercury, er IST Mercury. Die Figur lebt in ihm, jedes Zwinkern, jeder Schritt, jede Pose und jede Geste sitzen perfekt – und das durch alle Jahrzehnte der Bandgeschichte hinweg. Diese Perfektion erkennt der Zuschauer vielleicht nur dann, wenn er schon zuvor ein Queen-Anhänger war, oder ein Musikkenner. Malek jedenfalls steigert sich von Abschnitt zu Abschnitt, um im letzten Drittel dann eine wahre Transformation zu durchleben. Aber dazu später mehr. Ich möchte unbedingt noch erwähnen, dass auch Gwliym Lee, Ben Hardy und Joseph Mazzello als Brian May, Roger Taylor und John Deacon nahezu perfekt gecastet und gestylt wurden. Vor allem Lee als May verdient hier ein Extra-Lob. Fun Fact: Malek und Mazzello spielten schon zusammen in „The Pacific“.

Was mir besonders gut gefällt ist, dass das Drehbuch nicht die oberflächliche Einladung annimmt und voll auf Tränendrüse und Tragik, also Mercurys Wandel mit der Sanduhr durch seine Krankheit setzt und so unnötig Spotlight von der Band nimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Hier und da vereinzelte Anzeichen, maximal 10 Minuten Screentime für Aids insgesamt. Was leider zur Folge hat, dass mit „Who wants to live forever“ und „Show must go on“ (sogar nur in den Credits) zwei der stärksten Lieder nur kurze Einsätze erhalten. Mit Blick auf die Story nehme ich das aber gerne in Kauf. Vor allem wenn dafür die Entstehungsgeschichten einzelner Songs wie „Another One Bites The Dust“, „We Will Rock You“ oder eben „Bohemian Rhapsody“ aufgegriffen werden.

 

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Wenn ich etwas an diesem Film auszusetzen habe, dann ist das wohl der Nebenschauplatz. Mercurys Solo-Karriere, getrieben von Paul Prenter. Erstens, weil es diese „Böser-Manager“-Geschichte schon hundertmal gab (dieses Jahr auch bei „A Star is Born“), zweitens, weil hier einzig und allein Prenter Yoko-Ono-mäßig die Schuld an Mercurys Abstürzen gegeben wird. Das mag daran liegen, dass Brian May und Roger Taylor den Film selbst mitproduzierten, es ist mir trotzdem zu simpel. Authentizität kommt schließlich durch Ehrlichkeit und auch als Verehrer von Band und Sänger sollte erwähnt werden: Mercury war kein einfacher Mensch. Er war ein Exzentriker mit großen Problemen.

Positiv überrascht bin ich hingegen von den technischen Aspekten und der Regie. Regisseur Bryan Singer hat immerhin schon Filme wie „X-Men: Apocalypse“ oder „Superman Returns“ verbrochen. In diesem Biopic beweist er hingegen enormes Fingerspitzengefühl. Er inszeniert seine Geschichte beinahe unbekümmert, was auch als fehlende Ecken und Kanten missverstanden werden könnte. Er nimmt dem Film an den richtigen Stellen durch dezenten Humor das Gewicht der Tragik, während andere Momente die große Glamour Show auf den Teppich zurückholen. Die Schnitte sitzen, der Sound auf großer Leinwand schießt einen in die Tonstudios und Arenen dieser Welt. Die Kamerafahrten erledigen den Rest.

 

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Man könnte fast meinen, der über den gesamten Film durchgezogene Slogan „Queen kann man nicht einordnen“ wäre bewusst auf das Drehbuch übertragen worden. Fast so exzentrisch wie Mercury selbst, fuchst sich der Film die Songauswahl völlig unchronologisch so zurecht, wie es eben gerade zur Geschichte passt. Das ist gewagt und wird nicht jedem gefallen. Keine zwei Meinungen darf es hingegen über die letzte halbe Stunde geben. Das Live-Aid-Konzert 1985 ist das Highlight des Films, so ziemlich das Beste, was ich in einem Musik-Biopic bislang erleben durfte. Die Stimmung, die Atmosphäre, die gesamte Darbietung. Und: Fast in voller Länge ausgespielt! Was für eine sensationelle Überraschung und Liebeserklärung an diese Band und ihre Musik.

Dieser Film ehrt Queen als das, was sie sind – eine der besten Bands, die jemals auf diesem Planeten gespielt haben. Vier Außenseiter, die aufeinander angewiesen waren und die Musik auf Jahrhunderte beeinflussen werden. Farrokh Bulsara, der homosexuelle Zoroastrier aus Tansania, der selbst in den vermeintlich weniger aufgeklärten 70ern und 80ern die Herzen von Millionen Menschen berührt hat. Wir können uns in der heutigen Zeit mehrere Scheiben davon abschneiden. Moralisch UND  musikalisch.

 

Bohemian Rhapsody - Bewertung

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