KRITIK: A BEAUTIFUL DAY

© 2018 Constantin Film Verleih GmbH
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Autor: Tom Burgas

Was ist da eigentlich schon wieder los? Ich mein es ist ja so schon traurig, dass englische Titel hier oft entfremdet Deutsch übersetzt werden, aber ein englischer Titel für einen anderen? Immerhin wurde Name hier einem prägenden Satz aus dem Film entlehnt, immerhin. Meine Vorfreude schmälerte dies natürlich nicht denn der Trailer machte mich schon ein wenig geil auf die ganze Sache. Erstmal muss festgehalten werden, dass Joaquin Phoenix einer der besten ist. Einer bei dem man merkt, dass es ihm herzlich egal ist was die Leute denken. Wer das bestätigt braucht sollte sich „I’m still here“ angucken, für Freunde der leichten Unterhaltung dürfte er aber auch seit „Gladiator“ auf der Liste stehen. Und wenn ER nicht reicht haben wir immer noch das immer wieder gern gesehene Story-Konstrukt allein gegen alle“. Das hatten wir spätestens seit der „Taken“-Reihe zu Hauf und meistens gar nicht mal so schlecht und das Interesse scheint auch nicht zu versiegen wie Ankündigungen ala´ „John Wick 3“ oder „Equalizer 2“ beweisen. Allerdings wird es langsam dünn mit den Innovationen oder Alleinstellungsmerkmalen. Dass wir davor aber keine Angst haben müssen, dafür sorgt EIN Name: Lynne Ramsay!

Diese Dame ist nämlich verantwortlich für das Feel Bad Movie „We need to talk about Kevin“ und wer dieses Brett von einem Film gesehen hat weiß, dass Ramsay hier ganz bestimmt keine alten Kamellen nutzt und ganz bestimmt nicht am Blockbuster oder Popcorn-Movie interessiert ist. We need…. war ein Film nachdem man sich die Gesichter des Todes-Reihe angucken konnte und man positivere Laune bekam als bei ihrem Drama um einen mehr als schwer erziehbaren Jungen. So zeigte dann auch der Trailer, dass wir es hier wohl mit einer recht nihilistischen Rache oder Rettungsfeldzug zu tun haben bei dem es wohl keine Rettung geben dürfte. So saß ich dann mit aufgerissenen Fan-Augen in der Pressvorführung.

 

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Immerhin bei einer Sache blieb sich Ramsay treu, wieder ging man aus dem Kino und war erstmal niedergedrückt. Ihr Protagonist Joe ist keine tickende Zeitbombe, er ist eher eine sehr hässliche Uhr, die selber nicht mehr laufen will und auch niemand Lust hat sie sich umzuhängen. Ein völlig desillusionierter Mensch, der im Alltag nur noch im Ansatz halt und Normalität findet, bei dem man das Gefühl hat, das seine Erfahrungen beim Militär in Verbindung mit seiner schlimmen Kindheit einen Hass schüren, der ihm als einziges Antrieb verleiht. Kurzum, ein richtiger Sonnenschein dieser Joe. Immerhin nutzt er diesen für eine relativ gute Sache denn insgeheim arbeitet er inoffiziell als Mann fürs grobe, wenn es darum geht Kinder zu finden und sie, wenn nötig zu retten. Durch seine Art und Weise wird er natürlich bei den Fällen rangeholt bei denen eine wenig Gewalt nötig ist. Bevorzugtes Werkzeug dabei ist der Hammer, wie gesagt…ein Sonnenschein. Dass das erste Mal dabei nicht alles glatt läuft und er sich bestimmt nicht von hartnäckigen Entführern, Kinderschändern und Mördern von seiner klaren Linie abhalten lässt versteht sich von selbst.

Wer jetzt allerdings Actionchoreografien oder blutige Ausbrüche erwartet wird enttäuscht sein. Die Regisseurin könnte man hier eher als Schwester im Geiste eines Nicolas Winding Refn sehen nur ohne die Farbspielereinen. Heißt, dass hier viel mehr Wert auf das Innenleben der Charaktere und den handwerklichen Stil legt, der hier ganz klar realistisch angelegt ist. Man hat keine unnötigen Dialoge, die es nur gibt um dem Zuschauer klar zu machen wer die Figuren sind und auch Abläufe muss man sich hier und da selber zusammenräumen. Wir sehen alles aus der Sicht von Joe und warum mancher Bösewicht tot ist oder warum das alles passiert muss man sich selber zusammenreimen. Brotkrumen werden einem zwar hingeworfen aber Joe ist eine Figur, der sein Ziel nicht verlieren will, aber alles darüber hinaus scheint unwichtig. Auch will er das Kind nicht retten um irgendwas in sich selbst zu retten, denn da ist schon alles im Arsch, nein, er rettet einfach ein Kind, weil er sowas eben macht.

 

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Wir haben somit hier ein ganz klares 1-Mann-Stück und Pheonix lässt die Leinwand brennen oder dass er sich in Actiongefilde geben muss. Sein komplettes lethargisches Spiel ist so wunderbar hoffnungslos, dass man ihm jetzt schon eine Oscarnominierung zusichern kann. Alle anderen machen ihre Sache nicht schlecht, haben aber nicht mal im Ansatz die Bühne um gegen ihn was ausrichten zu können. Höchstens noch Judith Roberts, als Joes Mutter ist immer wieder eine schöne Überraschung (bekannt aus „Dead Silence“ oder „Orange ist the New Black“). Mit ihr gibt es auch die wenigen komödiantischen Szenen, die dann doch mal Zeit zum Verschnaufen geben und die Selbstmordstimmung etwas beiseiteschiebt.

Und hier haben wir auch das größte Problem. Dass der Film als positive Abwechslung funktioniert, darüber streite ich gar nicht. Nur leider suhlt er sich zu Lange in seiner Depressivität seiner Hauptfigur. Wir wissen nach 30 Minuten alles über Joe und eine weitere Entwicklung findet nicht statt, was okay wäre, wenn sein Zustand dann wenigstens zu irgendeinem Ausbruch oder Showdown führen würde, aber nicht mal dies wird ihm geschenkt. Natürlich reitet er zum Schluss in den Hauptsitz der Verantwortlichen und will das Mädchen befreien, was alle Möglichkeiten geben würde aber selbst hier wird der Figur nicht mal der Ansatz einer möglichen Emotion geschenkt, weder positiv noch negativ. Somit hat man das Gefühl, dass der Film keine Aussage hat und gleichzeitig aber auch kein Unterhaltungsprodukt sein will und somit wird die Wahl doch eng bei dem was der Film überhaupt will. Ihm fehlen ganz klar Szenen die einen emotional Berühren, abseits des Mutes den ganzen Film auf dem Schmerz seines Protagonisten aufzubauen und diesen bewusst wenig im Storygerüst zu benutzen.

Eine Erfahrung bleibt er natürlich, der ständige Vergleich zu Taxi Driver kommt auch nicht von ungefähr, sind sie doch ziemliche Brüder im Geiste. Den Kultstatus wird „You were never really here“ jedoch nicht erreichen, dafür fehlt ihm einfach die „Bewegung“ der Geschichte und der Hauptfigur auch wenn er starke Einzelszenen besitzt, die dann doch im Gedächtnis bleiben. Also diesmal kein „Einer gegen alle“, sondern „Einer gegen sich selbst“.

 

A Beautiful Day - Bewertung

Kinoplakat und Bilder © 2018 Constantin Film Verleih GmbH