KRITIK: CREED II

© Warner Bros. Pictures Germany
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Autor: Kevin Zindler

Filmikone Sylvester Stallone konnte mit ROCKY BALBOA (2006) seiner so geliebten Figur einen mehr als würdigen Abschluss bescheren. Als Jahre später das Spin-Off CREED (2015) angekündigt wurde, löste dies bei vielen Fans nachdenkliches Stirnrunzeln aus. Die Angst, dass dieses Denkmal (unter einem anderen Titel) nur noch einmal ausgeschlachtet werde um Kasse zu machen und dabei ein erheblicher Imageschaden einher käme, war groß. Doch diese Bedenken verschwanden nach dem Kinostart ins Nirvana, denn Regisseur Ryan Coogler präsentierte uns ein sehr gutes Boxdrama, in dem nicht nur Michael B. Jordan als Creed eine tolle Performance ablieferte, sondern auch Stallone alias Rocky eine Nische fand, in der er als krebskranker Trainer fungierte. Der Altstar konnte aus dem in die Jahre gekommenen Rocky-Charakter tatsächlich neue Facetten herauskitzeln, was ihm eine „Golden Globe“ Trophäe und eine „Oscar“ Nominierung einbrachte.

CREED spielte allein in den Staaten über 100 Millionen Dollar ein. Ein Sequel war daher schnell beschlossene Sache. Doch eine Steigerung herbeizuführen oder zumindest eine gleichwertige Fortsetzung zu drehen, ist nicht immer die einfachste Aufgabe. Es musste eine Story her, die neue Creed Fans und alte Rocky Anhänger gleichermaßen in ihrem Bann zu ziehen vermochte. Die Lösung: Die Rückkehr des wohl größten Schurken des Rocky Universums, Ivan Drago (Dolph Lundgren). Diese Nachricht löste im Vorfeld einen regelrechten Hype aus. Im Nachhinein kann dieser Schachzug durchaus als genial bezeichnet werden, denn CREED II wird am Ende der Auswertungskette noch einmal deutlich mehr einspielen als sein Vorgänger.

 

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Zum Inhalt: Adonis Creed hat es endlich geschafft. Er ist Boxweltmeister im Schwergewicht. Allerdings wird sein Erfolg ein wenig dadurch getrübt, dass er den Titel einem in die Jahre gekommenen Champion abgenommen hat, der seinen boxerischen Zenit zum Zeitpunkt des Matches schon klar überschritten hatte. Diesen Makel will sich nun Ivan Drago, der vor vielen Jahren Adonis‘ Vater Apollo Creed in einem Schaukampf durch einen Schlag getötet hat, zunutze machen. Er fordert Adonis in einer eigens einberufenen Pressekonferenz heraus, gegen seinen eigenen Sohn Viktor Drago (Florian Munteanu) in einem Titelmatch anzutreten. Der in seinem Stolz verletzte Adonis kann nicht über seinen Schatten springen und willigt ein. Allerdings ist sein bisheriger Trainer Rocky Balboa mit dieser Entscheidung gar nicht einverstanden und weigert sich, seinen Schützling für den wichtigen Kampf zu trainieren. Und als ob das Training ohne Rocky nicht schon hart genug wäre, muss sich Adonis zugleich auch noch um seine schwangere Verlobte Bianca (Tessa Thompson) kümmern, die sich Sorgen darum macht, dass das Baby ihre Gehörlosigkeit erben könnte…

Ursprünglich sollte Sly Stallone für die heißerwartete Fortsetzung selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen, doch diesen übergab er dann doch Steven Caple Jr., welcher bis dato noch nicht wirklich groß in Erscheinung getreten war. Dafür hat Sly für seinen – wie er selbst ankündigte – letzten Auftritt als Rocky Balboa natürlich Teile des Drehbuchs beigesteuert, was man dem Film auch deutlich ansieht. Die Geschichte um Adonis, seiner Familie und Trainer Rocky wird behutsam weitererzählt und alles kommt, wie es kommen muss und wie es der Rocky-Film erprobte Zuschauer auch erwartet: Kind, Kegel, Kampf! Dass das Franchise (bis auf mehr oder weniger Teil 1und 6) nie mit überraschenden Story-Elementen punkten konnte, ist wohl bekannt. Dennoch kann auch bei einer 08/15 Erzählung einiges schief laufen, wenn einen der Film beispielsweise einfach nicht abholen möchte. Nicht aber hier. CREED II schafft es, eine Art Potpourri aus allen Filmen sehr unterhaltsam aufzutischen. Das liegt zum einen an den toll aufspielenden Cast und zum anderen an der souveränen Inszenierung des (noch) recht unbekannten Regisseurs. Tiefgang und Box-Action halten sich recht gut die Waage.

 

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Bekommt man auf Seiten der Creeds die typische Rocky- Family-Story geboten, ist der Part der Dragos deutlich interessanter. Während Adonis seine Motivation daher zieht, dass er verspätete Rache/Ehrenrettung für seinen toten Vater Apollo erlangen kann, geht es Ivan Drago und seinen Sohn Viktor darum, sich den Respekt der russischen Bevölkerung und den seiner Frau/Mutter Ludmilla Drago zurückzugewinnen, den Ivan Drago nach der Niederlage gegen Rocky 1985 in Moskau eingebüßt hatte. Sie sind arm, kämpfen sich step by step wieder nach oben. War Ivan Drago in ROCKY IV (1985) noch der böse sibirische Totengräber unter Anabolika Einfluss, bekommt er in CREED II deutlich mehr Tiefe. Man kann die Intention der Dragos gut nachvollziehen und ja, sie sind einem gar sympathisch. Leider werden viele Punkte dieser tollen Charaktere nur leicht angeschnitten. Florian Munteanu ist zwar auf der schauspielerischen Ebene recht limitiert, doch das macht er durch seine enorme körperliche Präsenz wieder wett. Zudem hätten es gerne mehr gemeinsame Szenen zwischen Dolph Lundgren und Sylvester Stallone sein dürfen, denn das haben sich viele Fans sicher erhofft. Etwas entschädigen dürften sie dafür mindestens zwei Cameo-Auftritte aus dem Rocky-Universe.

Der Score in CREED II ist wieder gut gewählt, zudem sind auch die Trainingssequenzen einfach klasse, wiewohl sie auch dieses Mal ruhig etwas länger hätten ausfallen dürfen. Highlight ist natürlich der Endkampf, welcher sehr wuchtig und spannend in Szene gesetzt wurde. Jordan und Munteanu sind zwei echte Muskelberge, die absolut austrainiert daherkommen. Ein großes Manko ist Stallones Synchronstimme. Er wird dieses Mal von Jürgen Prochnow gesprochen, welcher ihn auch schon bei ROCKY (1976), ROCKY II (1979) und F.I.S.T. (1978) synchronisierte. Fairerweise muss gesagt werden, dass Prochnow der logische Ersatz für den erkrankten Thomas Danneberg war, dennoch ist die Stimme sehr gewöhnungsbedürftig.

 

Creed II - Bewertung

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