KRITIK – BLOOD FATHER

© Splendid Film/WVG
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Autor: Kevin Zindler

Mel Gibson! Was hat dieser Mann nicht für großartige Filme gemacht – sowohl als Schauspieler, als auch als Regisseur. Er war ein Blockbuster Garant, für den das Publikum allein aufgrund seines Namens auf dem Poster ins Kino pilgerte. MAD MAX (1979), LETHAL WEAPON (1987), BRAVEHEART (1995 /Oscar in den Kategorien Bester Regisseur und Bester Film), WHAT WOMEN WANT (2000)…man könnte noch zig andere erfolgreiche Filmtitel nennen, die er durch sein grandioses Schauspiel und seines unvergleichbaren Charismas geprägt hat. Von Ende der 70er bis weit in die 2000er hinein konnte er in unterschiedlichen Film-Genres phänomenale Erfolge feiern. Dann ging es mit „Mad Mel“ stetig bergab, was allerdings seinen privaten Entgleisungen geschuldet war. Antisemitische Äußerungen, Gewalttätigkeiten und Alkohol…die Liste seiner Verfehlungen ist lang. Das Publikum – insbesondere in den Staaten – verzeiht so etwas nur schwer, so dass Gibson in den letzten 10 Jahren nur sehr wenig Filme drehte und wenn, liefen diese – provokant gesagt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. GET THE GRINGO (2012) kam gar nicht erst in die Kinos und sein Mitwirken als Schurke in THE EXPENDABLES 3 (2014) ermöglichte ihm nicht das erhoffte Comeback. Gelingen könnte es ihm das mit dem Kriegsfilm HACKSAW RIDGE (Kinostart: 12. Januar 2017), für den er erstmals nach APOCALYPTO (2006) wieder auf dem Regiestuhl Platz nahm. Als Hauptdarsteller darf man den mittlerweile 60 jährigen Altstar nun in BLOOD FATHER bestaunen, welcher ohne Kino-Umweg direkt auf  DVD/Blu-ray erschienen ist.

 

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Zum Inhalt: John Link (Mel Gibson) versucht, seine zerstörerische kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen und Ärger aus dem Weg zu gehen. Seine Familie hat ihm schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt, bis eines Tages seine 16-jährige Tochter Lydia (Erin Moriarty) hilfesuchend vor seinem kümmerlichen Wohnwagen steht. Durch ihre Beziehung zu Drogendealer Jonah (Diego Luna) ist sie mit falschen Leuten aneinandergeraten und ist nun auf der Flucht vor einem mexikanischen Drogenkartell, das sie tot sehen will. John kann dies natürlich nicht zulassen und setzt alles daran, seine entfremdete Tochter zu beschützen, koste es, was es wolle…

Unter der Regie von Jean-François Richet, der 2008 den packenden Gangsterfilm PUPLIC ENEMY NO.1 inszenierte, scheint BLOOD FATHER auf den ersten Blick eine weitere Ergänzung zu der bewährten Gibson-Formel zu sein: John Link könnte ohne weiteres ein Verwandter von Porter und Driver, Gibsons gewalttätigen Protagonisten aus PAYBACK (1999) und GET THE GRINGO (2012) sein. Das erste Mal, wenn sein mittlerweile gezeichnetes Gesicht, das teilweise durch einen sehr vollen Bart bedeckt ist, von der Kamera erfasst wird, strahlt er wie gewohnt ein unfassbar intensives Charisma aus. Die tiefen Furchen auf seiner Haut vermitteln nur noch mehr diese Gabe, diese fesselnde Ausstrahlung. Was bedeutet das für den Film? Mel Gibson ist immer noch da und er ist immer noch verdammt gut! Und das kommt natürlich BLOOD FATHER zugute. Es ist daher eine Schande, dass dieser fantastische Mime (und an dieser Stelle bewerten wir nur den Schauspieler und nicht den Privat-Mann Gibson) momentan vom Publikum und von den Studios gemieden wird (von den Fans mal abgesehen) wie der Teufel das Weihwasser meidet.

 

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„Blood Father“, geschrieben von Peter Craig und Andrea Berloff (nach Craigs Roman-Vorlage) vermeidet – zumindest zum größten Teil – die Klischees des „Vater schützt die Tochter-Thrillers“, die von Liam Neeson in TAKEN (2009) perfektioniert wurden, indem sie der Tochter ein wenig den Bad Ass-Stempel aufdrücken. Harte Schale, weicher Kern. Sie ist in einer schlechten Situation und zudem Drogen und Alkohol süchtig. Das hat sie mit ihrem Vater gemein, der auch kein Kind von Traurigkeit war und mittlerweile „Trocken“ ist. Darüber hinaus ist er kein Mann von Mitteln – es gibt kein Waffen-Arsenal, das unter den Fußbodenbrettern seines Anhängers verstaut ist. Eine Zeitlang hat er nur seinen Verstand um zu Überleben. Zudem sind auch seine Lebensumstände nicht die Besten (er ist gerade aus dem Knast entlassen worden und auf Bewährung), ganz zu schweigen von der plötzlichen Wiedervereinigung. Es ist erfrischend, Vater und Tochter miteinander kommunizieren zu sehen, denn sie sprechen beide dieselbe profane Sprache. BLOOD FATHER ist in erster Linie ein Film über eine zerrüttete Vater/Tochter Beziehung, deren Flucht vor den bösen Buben nur als Grundgerüst für das eigentliche Haupt-Thema dient. Anders wie es der Trailer vorab suggerierte, ist die Action im Film recht rar gesät, wenig spektakulär und wird auch nicht wirklich mit dramatischen Höhepunkten versehen. Dazu kommt, dass der Bösewicht nicht böse genug daher kommt (er macht eher den Eindruck eines verwirrten Stalkers) und das Setting, in dem sich das Szenario abspielt, recht unaufgeregt wirkt. Dennoch bietet der Film sehenswerte Passagen, insbesondere in den Momenten, wenn Gibson und Filmtochter Erin Moriarty (TRUE DETECTIVE) sich die Bälle zuspielen. Der Neben-Cast um William H. Macy (FARGO) und Michael Parks (FROM DUSK TILL DAWN) kann ebenfalls überzeugen. Der knallige Showdown – in dem es zur unausweichlichen Konfrontation zwischen den Kontrahenten kommt – setzt einen stimmigen und realistischen Schlußpunkt.

Info am Rande: Diejenigen, die BLOOD FATHER in der deutschen Synchronisation anschauen möchten, werden feststellen, dass Mel Gibson nicht wie gewohnt von Elmar Wepper gesprochen wird, sondern von Martin Umbach. Ein guter Ersatz, wenn auch ziemlich ungewohnt.

 

blood-father-bewertung

Ab dem 28. Oktober 2016 auf Blu-ray™, DVD und VOD erhältlich!

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