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Autor: Michael Scharsig
Glen Powell hat dieses typische Gesicht, das immer die gleiche Frage aufwirft, wenn er auf der Leinwand erscheint: „Woher kenne ich diesen Schönling nochmal?“. Nun, Glen Powell ist der Aktionär, der in THE DARK KNIGHT RISES (2012) von Bane verdroschen wird. Oder der Todesschnäuzer mit 80er-Frise, der in EVERYBODY WANTS SOME!! (2016) zur Sugarhill Gang rappt.
Zudem hat er einen sympathischen Kurzauftritt als Astronaut- und Kampfpilot John Glenn im Oscar-Überraschungs-Hit HIDDEN FIGURES (2016). Mittlerweile ist er jedoch über seine Rolle aus TOP GUN: MAVERICK (2022) drei Etagen nach oben geschossen – und das ist kein Zufall. Entdeckt von Denzel Washington, war es Tom Cruise, der extra für Powell dessen Figur in MAVERICK umschreiben ließ, damit dieser nicht absagt. Das hatte Powell nämlich vor.
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Er schreibt selbst Drehbücher und liest sie akribisch durch, bevor er zu einer Rolle zu- oder absagt. Man könnte argumentieren, dass das eine nette PR-Story sei, immerhin taucht er auch in THE EXPENDABLES 3 (2014) auf, doch es ist kein Geheimnis, dass der 35-Jährige bereits Angebote von Marvel, dem Franchise um JURASSIC WORLD (2015) und der Bourne-Reihe eine Abfuhr erteilte. Stattdessen spielt er lieber in Richard Linklaters A KILLER ROMANCE (2023) und wagt sich mit TWISTERS an ein totgeglaubtes Franchise.
Warum hole ich bei Glen Powell so weit aus? Weil er in meinen Augen das perfekte Beispiel dafür ist, einen Schauspieler aufgrund seiner Art und seines Aussehens zu unterschätzen. Selbiges tat ich auch mit TWISTERS, als ich die ersten Trailer sah. Ein paar coole Sprüche, „von den Machern von JURASSIC WORLD und eben ein Glen Powell, der mit weißem Shirt & Cowboyhut wie ein Marlboro-Mann durch Regen marschiert. Weiß man aber wie picky der Kollege bei seiner Rollenwahl ist, dass auch Filmpartnerin Daisy Edgar-Jones eher aus Filmen wie DER GESANG DER FLUSSKREBSE (2022) bekannt ist und Lee Isaac Chung (MINARI, 2020) im Regie-Stuhl sitzt, ändert sich die Erwartungshaltung.
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Was für eine Erwartungshaltung hatte ich überhaupt zu TWISTERS? Nun. Ich liebe Katastrophenfilme. Vor allem dann, wenn sie einigermaßen authentisch sind und eine gewisse Ernsthaftigkeit an den Tag legen. Daran gemessen ist Jan de Bonts TWISTER aus dem Jahre 1996 ein bis heute nicht erreichter Meilenstein. Helen Hunt, Bill Paxton und Philip Seymour Hoffman gegen Wirbelstürme? Kein fairer Kampf für die Konkurrenz. Und ja, DER STURM (2000), STORM HUNTERS (2014) & Co. hatten alle ihre Stärken. Aber entweder waren die Figuren komplett egal, die Darsteller mies, die Effekte schwach oder die Action viel zu drüber. Irgendwas war immer.
Zudem habe ich starke Probleme mit Fortsetzungen ikonischer Filme, die praktisch nur aus Fan-Service bestehen und die Schauwerte eher einer Nerd-Doku gleichen. Ja, ich rede mir Dir, STAR WARS. Gleichermaßen konnte ich meine Vorfreude aber nie unterdrücken, endlich mal wieder für einen waschechten Katastrophenfilm ins IMAX zu marschieren. Noch beim Gang in den Saal spielte sich meine Aufregung immer wieder im Kopf ab: „Was bekomme ich gleich? Eine stürmische RomCom, ein blutleeres Gen-Z-Sequel oder vielleicht doch einen ordentlichen Desaster-Thriller?“
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Wir begleiten also Sturmforscherin und spätere Meteorologin Kate, wie sie in Oklahoma an einer Methode arbeitet, entstehende Wirbelstürme aufzulösen, bevor sie Schaden anrichten. Die Einstiegsszene legt dabei schon einmal dramatisch los und legt stimmungstechnisch den Grundstein für den weiteren Filmverlauf. Wow! Einmal durchatmen, gemütlich machen und von hier an in eine Welt aus Stormchasern, dem weiten Land Oklahomas, epischen Wetterformationen, Rodeo und Schneisen der Verwüstung eintauchen.
Ohne zu viel zu spoilern: Blechbüchse „Dorothy“ bekommt einen kleinen charmanten Gastauftritt und auch an die Zuschauer, die sich an fliegenden Tieren erfreuen, wurde gedacht. Nur eben alles dezent und mit eigenen Ideen. TWISTERS ist ein Standalone-Streifen, den ihr anschauen könnt, ohne den Vorgänger kennen zu müssen. Die Zwillingstornados stehen, anders als im Trailer angedeutet („Twiiiiiiins!“), nicht im Mittelpunkt, weil der Film zum Glück auf das typische Sequel-Rezept „von allem etwas mehr“ verzichtet.
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Ähnlich wie Brad Pitt, weiß auch Glen Powell sein Aussehen einzusetzen und ein Vorurteil zu kreieren, aus dem seine Rollen immer wieder ein kleines bisschen ausbrechen. In diesem Fall ist das auch so, was der Chemie zwischen ihm und Daisy Edgar-Jones aber keinesfalls schadet. Die Britin verkörpert die Demut und die Begeisterung für Stürme so authentisch, wie es einst Helen Hunt tat. Diese fast schon kindliche Faszination für das Naturschauspiel und der gleichzeitig wachsende Ehrgeiz, dieses zu beenden, ist gar nicht so leicht zu vermitteln.
Was mich als Wetter-Freak dann aber komplett abholt ist das dargestellte Oklahoma zur Tornado-Saison. Tatsächlich wurden viele Drehtage exakt dort verbracht, was dem Film noch einmal Authentizität verleiht. Kennt ihr Reed Timmer, Freddy McKinney, Connor Croff, Vince Waelti, Ryan Scholl & Co.? Ich verfolge ihre Arbeit seit Jahren auf YouTube und Twitch, denn diese Herrschaften sind echte, in den USA gefeierte, Sturmjäger. Powell spielt einen solchen und sein Team & er wirken zu Beginn doch sehr überzeichnet. Draufgängerisch, überheblich und alle zehn Minuten wartet ein Sturm auf sie.
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Ich kann euch verraten, dass die Sturmjagd vor allem eines braucht: Geduld. Denn die eben genannten Kollegen fahren mit all ihrer Technik, all dem Wissen und all den tausenden Zuschauern manchmal stundenlang durch Felder und Highways – ein riesiges Glücksspiel, für das ein zwei Stunden langer Film natürlich keine Zeit hat. Und natürlich, Cowboyhüte und coole Sonnenbrillen dürfen auch bei den Originalen nicht fehlen. Doch sie sind vor allem eines: Lebensretter, die jeden Klick und jeden Like sofort liegen lassen, wenn es darum geht, Menschenleben zu schützen.
TWISTERS setzt exakt hier zu meiner großen Freude den Fokus. Wir lernen die Teams besser kennen, ihre Motivationen, das Leid der Menschen vor Ort und den Schaden, den die Naturphänomene anrichten. Angst und Unwissen bekommen hier ebenso Raum, wie Start-Ups und Landbesitzer, die aus diesem Leid Profit schlagen wollen. Autor Mark L. Smith (THE REVENANT, 2015) und Chung haben es geschafft, einen bodenständigen und doch mitreißenden Blockbuster zu inszenieren, der nicht vergisst, das Publikum auch mal schmunzeln zu lassen. Am Ende meines Kinobesuches ging vor mir ein Pärchen aus dem Saal und die junge Frau sagte zu ihrem Freund: „Das war ein richtig schöner Kinofilm.“ Absolut!
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