INTERVIEW MIT MICHAEL CHOLEWA (AUTOR VON „DER TERROR FÜHRT REGIE“ & „SEHEN UND STERBEN LASSEN“)

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Interview: Michael Cholewa

Ab sofort können Fans der italienischen Söldner und Kriegsfilme das Buch „sehen und sterben lassen“ von Autor Michael Cholewa käuflich erwerben. Zum ersten Mal wurden in deutscher Sprache alle Filme zum Thema (von 1965 bis 1995) detailliert zusammengefasst und rezensiert. Die vollfarbige Filmpublikation, mit vielen seltenen Bildern und Filmcovern, kann unter anderem hier bestellt werden:

 

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Michael Cholewa kann man zu diesem längst überfälligen Werk nur gratulieren. Knapp 190 Filme werden auf 150 Seiten vorgestellt. Cholewa, der bereits bei „Der Terror führt Regie“ den italienischen Gangster- und Polizeifilm imposant aufleben ließ, ist es erneut gelungen, das mittlerweile sehr strapazierte Film-Herz vieler Liebhaber dieses Genres mit Leben zu füllen. Ein wirklich schöner Schmöker, wie sie heutzutage immer seltener erscheinen.

ENTERTAINMENT-BLOG Redakteur Kevin Zindler hatte die Gelegenheit, sich mit dem Autor zu unterhalten.

 

 

 

In deinem Buch „Der Terror führt Regie“ (Erstauflage 1999 / Neuauflage 2008) hast du dich ausführlich mit dem italienischen Gangster und Polizeifilm beschäftigt. Deinem aktuellen Werk „sehen und sterben lassen“ widmest du nun dem italienischen Söldner- und Kriegsfilm der Jahre 1965-1995. Inwiefern prägten dich jene Filme dieser Zeit – insbesondere die Produktionen aus Italien – und was fasziniert dich besonders am Action-Genre?

MC: Es ist ja kein Zufall, das Rom in den 60er und 70er Jahren das Zentrum des europäischen Films war. Die Italiener hatten für einige Dekaden den Code geknackt, erfolgreiches Publikumskino zu produzieren. Unbelastet und mit einem sehr kreativen verspielten Sinn fürs Risiko, wurden dort uramerikanische Themen erfolgreich europäisiert und erneuert. Ich kann mich noch gut an eine Zeit erinnern, da gab es lediglich 3 TV- Sender. Im TV liefen deutsche Filme und US- Filme, ab und an französisches Kino, aber im Kino liefen Italo-Western und später Giallos und Kriegsfilme wie „Ein Haufen verwegener Hunde“. Das konnte oder durfte ich zu der Zeit noch nicht sehen, vielleicht war dies der Ursprung, weshalb ich dieses nun heute aufarbeiten möchte?

 

 

Bevor Hollywood Ende der 70er Jahre mehr und mehr das europäische Kino in Besitz nahm, gab es viele Produktionen und Stars aus Italien oder Frankreich, die auch in Deutschland die Kassen klingeln ließen. Ich denke da an Belmondo, Celentano, Spencer/Hill und natürlich den Spaghetti-Western. Was denkst du war ausschlaggebend für den „Machtwechsel“?

MC: Das hat verschiedene Gründe. US-Produktionen werden für einen riesigen englischsprachigen Kontinent gemacht und mittlerweile für die ganze Welt. Die Vertriebswege der US-Filmindustrie sind perfekt. Selbst wenn ein Film floppt, tragen die Einspielergebnisse den Film meist noch. Dann gibt es die bekannte Aussage: In Hollywood ist es eine Kunst das Publikum zu unterhalten, in Deutschland muss das Publikum die Kunst unterhalten. Einer der größten Fehler war, dass das deutsche Autorenkino, mit seinen geistigen Anführern wie Alexander Kluge, Ende der 60er Jahre die Filmförderung in unserem Land initiierte. Was dazu führte, dass die Politik und mit ihr die öffentlich-rechtlichen TV- Anstalten die Kontrolle über das Filmemachen in Deutschland bekamen. Filmproduzenten brauchen heute kein eigens Geld mehr in die Hand nehmen, sie bekommen öffentliche Mittel, so genannte Filmförderung. Die Idee hinter Filmförderung klingt heute geradezu niedlich: Man wollte schwierige Stoffe fördern, die „sonst“ beim Publikum keine Chance haben. Ohne den Gedanken zu Ende zu denken, den schwierige Stoffe bleiben auch verfilmt schwierige Stoffe, es gibt dafür KEIN Publikum. Der eigentliche Skandal ist, das ist mehr als 40 Jahre her und man ist nicht bereit diesen Fehler zu korrigieren. Mittlerweile ist dieses System auch zu einem undurchschaubaren verfilzten Selbstbedienungsladen verkommen. Mit dem sich zu viele prominente Leute die Taschen füllen. Auch in Italien hatte schließlich in den 90ern des Fernsehen (Silvio Berlusconi) die Kontrolle übernommen. Was auch nicht schwierig war, denn was sollten sich die Menschen im Kino anschauen? Filme von Alexander Kluge? Die TV- Intendanten freuen sich heute noch. Und Fernsehmacher Nico Hofmann bezeichnet sich selbst als Filmproduzenten. Dabei hat er noch nie einen Kinofilm produziert. Das ist der langweilige Istzustand.

 

 

Der italienische Söldnerfilm war und ist durchaus beliebt. Viele amerikanische Stars wie Jack Palance oder Fred Williamson drehten in Italien. Gehören diese Filme eher zu deinen Lieblingen oder spielt der Star-Bonus für dich eine untergeordnete Rolle?

MC: Söldnerkino ist ja nur ein ziemlich dehnfähiger Oberbegriff. Auch hier treffen Gut und Böse aufeinander. Es geht, wie im Genrekino üblich, um sehr überschaubare Emotionen: Rache, Verrat, Bedrohung. Es sind moderne Märchen. Leute wie Fred Williamson oder Jack Palance waren zu ihrer Zeit Weltstars. Wichtig, um den Film international verkaufen zu können. Daneben sah man aber auch italienische und europäische Stars. Ein Konzept das man bis heute in unserem Land nicht kapiert. Ein Film wie Schweigers ‚Schutzengel‘ kann sein Geld gar nicht allein in Deutschland einspielen. Hätte man im Cast 2-3 „Namen“, hätte man den Film wesentlich einfacher auch international vermarkten können.

 

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In „sehen und sterben lassen“ besprichst du knapp 190 Filme. Wie lange hast du für die Recherchen gebraucht und hast du eine persönliche Top 3 unter den Produktionen?

MC: Die Idee war es, 80er Jahre Kino aus Europa/Italien literarisch aufzuarbeiten. Das wäre aber ein so aufwendiges Unterfangen geworden, das der Leser dieses Buch mit dem Gabelstapler aus der Buchhandlung hätte abholen müssen. Also konzentrierte ich mich auf ein Genre und das war das Söldner- und Kriegskino. Die Recherche hat bis Redaktionsschluss des Buches gedauert. Es gab ja keine Datenbank, die man aufschlagen konnte und Suchbegriffe wie Italo-Söldnerfilm einfügt. Den Film TIDES OF WAR z. B. habe ich zufällig entdeckt. Eine Top 3 habe ich nicht. Ich wähle nach Regisseuren. Z. B. mag ich alles von Antonio Margheriti oder Bruno Mattei, je nach Tagesform.

 

 

Der Regisseur, bei dessen Namen viele Leute an Söldnerfilme denken, ist Enzo G. Castellari. Ist dieser Ruf deiner Meinung nach gerechtfertigt?

MC: Nicht wirklich. Denn sein Film EIN HAUFEN VERWEGER HUNDE ist zwar ein Klassiker des Kriegsfilms, aber mehr die Antwort auf Hollywood- Kino ala STOSSTRUPP GOLD. Meines Erachtens hat Castellari nur einen Söldnerfilm gedreht: EIN MANN GEHT DURCH DIE HÖLLE mit Frank Zagarino.

 

 

Ich persönlich liebe Filmbücher, doch es wird immer schwieriger, etwas in dieser Form im Print-Bereich zu verwirklichen. Viele Filmfans wissen diese inhaltlich wie visuell wunderbaren Bücher aber durchaus zu schätzen. War es schwierig, ein Verlag von deiner Idee zu überzeugen?

MC: Das habe ich gar nicht erst versucht. Das Söldner- Kriegs- Thema ist wirklich sehr speziell. Ich glaube nicht dass es in Deutschland einen Verlag gibt, selbst unter denen die hin und wieder Filmbücher heraus geben, deren Lektoren auch nur im Ansatz den satirischen Aspekt dieser Filme begreifen. Deshalb bin ich das Risiko eingegangen, das Buch auf eigene Kosten in meinem Verlag (subversiv media) heraus zu geben.

 

 

Inwiefern siehst du den Unterschied zu den Filmen von damals und dem auf Mainstream ausgerichteten Kino von heute? Weicht der erzählerische Aspekt immer mehr dem Bombast, oder ist dies nur eine subjektive Wahrnehmung?

MC: Interessanter Weise erleben wir schon seit Jahren eine Art Renaissance des italienischen Genrekinos der 60er Jahre. Superheldenkino wie MAN OF STEEL ist dort bereits in den 60ern erfolgreich verfilmt worden. Ridley Scotts GLADIATOR ist die hundertprozentige Anknüpfung an das damals beliebte Schwert- und Sandalenkino, auch als Peplum bekannt. Einen Erzählerischen Moment, den haben wohl nur noch die CGI- Leute. Aber die Geschichten waren damals auch nicht besser. Regisseure wie Christopher Nolan schaffen es tatsächlich noch zwischen all den Effekten die Charaktere nicht zu vergessen. Das gibt Hoffnung.

 

 

Heutige Produktionen die dem klassischen Söldnerfilmen nahe kommen, werden fast ausschließlich für den DVD-Markt produziert. Der Erfolg von Sly Stallone´s „The Expendables“ zeigt aber, dass die Zuschauer immer noch für diese Filme ins Kino gehen (sicher war die Besetzung dabei kein unwichtiger Faktor). Hättest du dir gewünscht, wenn der Film eher Streifen wie „Ein Haufen verwegener Hunde“ abgefeiert hätte, statt auf Bombast-Action zu setzen?

MC: EXPENDABLES ist klassisches Söldnerkino. Der „Hype“ um EXPENDABLES ging aber ein wenig an mir vorbei. Ich habe noch den 2. Teil durchgehalten, weil er von dem von mir sehr geschätzten Simon West inszeniert wurde. Aber auch West konnte die ungebremste (und vor allem ironiefreie) Selbstdarstellung des guten Herrn Stallone nicht in verdauliche Bahnen lenken. Hier wurden keine Geschichten erzählt, sondern lediglich nette Actionszenen aneinander gereiht. Dramaturgisch wird der Zuschauer auf Diät gesetzt.

 

 

Welcher Schauspieler oder Film hat dich besonders beeindruckt oder gar geprägt?

MC: Welche! Auch hier natürlich die Generation der 60er/70er. Ich mag Underactor. Leute die kaum oder wenig machen. Charles Bronson oder Lee van Cleef. Die machen nichts, bewegen nur die Augen, besonders Bronson war da wegweisend. Das Gegenteil wäre Götz George als „Schimanski“. Ein Amok laufender Overactor. Leider hatte er selten einen Regisseur der in bremste. Carl Schenkel und Helmut Dietl haben das geschafft. Und dann war das Ergebnis auch zufriedenstellend.

 

 

Fällt dir eine besondere Anekdote ein, wenn du an die Kino und Videotheken-Zeit – oder die in deinem Buch beschrieben Filme – von damals zurückblickst?

MC: Ich bin bereits als Kind mit dem Virus Kino infiziert worden. Wie ich schon sagte, musste ich mir damals jeden Kinobesuch hart erkämpfen. Erst später, mit dem Einzug der Videotheken, konnte man sich ausreichend mit dieser Droge versorgen. Mittlerweile besteht ein Überangebot, was heutzutage (möglicherweise) den Wert eines Films schmälert. Für mich war aber nicht nur stets die Magie/Geschichte des Films wichtig, ist war und ist für mich meist ebenso erstrebenswert, den Film (in seinen unterschiedlichen Fassungen) zuhause in meinen Händen zu halten und zu besitzen.

 

 

Wie schätzt du in den nächsten Jahren die Situation des deutschen und europäischen Films im Allgemeinen ein. Führen nur kalkulierte Komödien ala´ Til Schweiger zum Erfolg?

MC: Zur Zeit wird in unserem Land wieder Genrekino gedreht. Es ist, als ob man endlich aufgewacht wäre. Leider leiden die Ergebnisse (STEREO) an den bekannten, typisch deutschen Problemen. Inkonsequenz und die Beleidigung der Intelligenz des Genrepublikums. Wenn man alles und jedes Erklärt, nichts unausgesprochen bleibt, unterfordert man den Zuschauer. Dann ist da noch die Angst falsch verstanden zu werden. Es muss heute so politisch korrekt sein dass keine Ecken und Kanten mehr übrig bleiben, dagegen war die Gesellschaft der DDR geradezu frei. Aber wo sollen die deutschen Filmemacher auch her kommen? Von den deutschen Filmhochschulen? Das sind Kaderschmieden der Öffentlich-Rechtlichen. Was deutsches Kino angeht kann man nur schwarz sehen.

 

 

Welchen Söldner-Streifen MUSS! jemand der auf Actionfilme steht, unbedingt gesehen haben?

MC: Da gibt es einige. Mir fallen zuerst die Werke Margheriti’s ein, wie z. B. GEHEIMCODE WILDGÄNSE. Aber auch die seines langjährigen Regie-Assistenten Ignazio Dolce bewegen sich generell sehr unterhaltsam auf einem hohen Niveau, wie z. B. THE LAST AMERICAN SOLDIER. Europäisches Actionkino das damals auf Augenhöhe mit US- Produktionen stand. Aber es gibt im Rückblick noch weitere Gründe sich diese Filme mal wieder anzuschauen. Filme Bruno Mattei’s besitzen nicht selten eine besondere („unfreiwillige“) Komik. Die Sets sind billig, die Special Effects dem entsprechend, die deutschen Synchros überfordert. Das alles multipliziert sich oft zu einem sehr unterhaltsamen und munteren Desaster… Und um an die vorangegangene Frage anzuknüpfen, diese Werke sind eines bestimmt nicht: Politisch korrekt.

 

Vielen Dank für das Gespräch. Die „Entertainment-Blog“ Redaktion wünscht dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg.