KRITIK – TATORT: TSCHILLER – KOPFGELD

© NDR/Marion von der Mehden
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Autor: Dominik Starck

Zum Inhalt: Auf das Leben von Hauptkommissar Tschiller (Til Schweiger) wird ein Anschlag verübt, dem er knapp entgeht. Hinter der Autobombe steckt der kurdische Astan-Clan, dem Tschiller bei seinem Dienstantritt den Menschenhandel in Hamburg verdorben hatte. Nun sitzt die Führungsspitze der Astan-Organisation zwar hinter Gittern, ist jedoch keinesfalls machtlos. Sie planen den großen Einstieg in das Drogengeschäft und setzen ein Kopfgeld auf Tschiller aus, damit dieser ihnen nicht mehr in den Weg kommen kann. Dabei gerät auch Tschillers Freundin, die Staatsanwältin Lennerz (Edita Malovcic), ins Fadenkreuz. Schwer verletzt landet sie im Krankenhaus und Tschiller sinnt auf Rache…

Deutschlands größter Kinostar als Hauptdarsteller in Deutschlands größtem TV-Krimi-Dauerbrenner- das klingt nicht nur nach Götz George als „Schimanski“ sondern auch wie eine sichere Bank. Trotzdem wurde und wird Til Schweiger als „Tschiller“ in seiner eigenen TATORT-Reihe kontrovers diskutiert. Vier TV-Filme arbeiteten seit 2013 auf den Kinofilm TSCHILLER: OFF DUTY hin, dem Anfang 2016 der große Erfolg nicht vergönnt war. Ende 2015 erschienen die TV-Filme als „Director’s Cut“-Versionen auf DVD, um auf das Kinoabenteuer einzustimmen. Im Vorfeld der sommerlichen Heimkino-Premiere des Kinofilms wird es nun Zeit, sich die Filme einmal genauer anzusehen. „Cooler deutscher Genre-Thriller oder pseudo-amerikanisiertes Gebührengrab der öffentlich-rechtlichen TV-Sender?“

 

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TATORT: KOPFGELD ist der zweite Fall rund um Hauptkommissar Tschiller alias Til Schweiger (KEINOHRHASEN) und präsentiert sich wie eine Fortsetzung aus dem Hollywood-Lehrbuch: mehr Action, mehr Tote, mehr Verwicklungen, mehr Figuren, von allem eben etwas mehr. All das in guten Bildern rund um einen rachsüchtigen Anti-Helden mit Polizeimarke drapiert. Ein „Bruce-Willis-Typ“, wie mancher Journalist in patinierter Erinnerung an selige STIRB LANGSAM-Zeiten konstatierte, dabei aber ignorierte, dass Willis‘ Glanzzeiten schon eine Weile hinter ihm liegen.

Im neusten TATORT-Beitrag aus Hamburg gibt Schweiger erneut den Mann weniger knurrig genuschelter Worte, der mit dem Herzen zwischen Familie und Beruf schwankt. Natürlich kehrte auch Schweigers Tochter Luna als Tschillers Tochter Lenny zurück. 2013 und 2014 waren insgesamt sehr geschäftige Jahre für Til Schweiger. Mit KOKOWÄÄH 2 und HONIG IM KOPF hatte er zwei eigene Filme als Regisseur, Produzent, Autor und Darsteller in Personalunion am Start und drehte als Schauspieler noch seine ersten beiden TATORT-Fälle ab.

Verantwortlich für deren Umsetzung zeichnet allerdings Christian Alvart (PANDORUM), den man ohne Übertreibung zur –viel zu kleinen- Speerspitze des deutschen Genrefilms rechnen kann. Der gebürtige Hesse drehte bereits 1999 seinen ersten Langfilm und konnte mit seinem Kinoerfolg ANTIKÖRPER 2005 das erste Mal richtig auf sich aufmerksam machen. Dem folgten auch Ausflüge nach Hollywood, doch einige Jahre später kam Alvart als Regisseur zum urdeutschen Fernsehkrimi TATORT. Als schließlich die Zeit gekommen war, dass man Til Schweiger nach seinen großen Komödien-Erfolgen im Kino eine Rolle als TATORT-Kommissar in Aussicht stellte, ging der Zuschlag für die Regie an Alvart. Das neue TATORT-Duo Alvart/Schweiger debütierte daraufhin 2013 mit WILLKOMMEN IN HAMBURG.

 

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Die Meinungen zu diesem Einstieg waren gespalten. Zu viel Action und Tote für einen TATORT, monierten manche. Zu teuer sei der Film auch gewesen, mehr amerikanische Plattitüde als heimische Ermittler-Geschichte. Im Umkehrschluss jubelten nicht wenige, dass die oftmals nach „Schema F“ verlaufende Uralt-Reihe endlich einmal entstaubt und wachgerüttelt wurde. Dabei wurden Erinnerungen an den bis dato amerikanischsten TATORT-Kommissar Schimanski (Götz George, 1938-2016) wach, der es seinerzeit auch auf die große Leinwand schaffte.

Ungeachtet der kontroversen Reaktionen folgte 2014 mit KOPFGELD der nächste TATORT um Hauptkommissar Tschiller und wieder kehrte Alvart in den Regiestuhl zurück. Dieses Mal musste man sich inhaltlich nicht mehr mit der Herkunft und Etablierung von Tschiller und seinem sozialen sowie beruflichen Umfeld aufhalten sondern konnte direkt ans Eingemachte gehen. Dabei ließ man sich von den zwiespältigen Kritiken nicht irritieren und folgte dem eingeschlagenen Weg stilistisch weiter, versuchte, kleine Fehler des Erstlings nicht zu wiederholen und ansonsten in jedem Bereich zuzulegen.

So besticht KOPFGELD, der unter dem ebenfalls passenden Titel „Kiezkrieg“ gedreht worden war, durch hochwertig umgesetzte Action und eine emotionale und persönliche Geschichte, welche den eigentlichen Kriminalfall, rund um den Import einer großen Drogenlieferung und den bereits erwähnten Kiezkrieg, manchmal beinahe an den Rand drängt.

 

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Für einen TATORT ist das ungewohnt ruppig und vor allem ungewohnt reich an Toten. Allerdings wirkt es nie aufgesetzt, auf „amerikanische Weise“ überzogen oder unrealistisch. Man bedient sich gekonnt der Mittel eines modernen Actionthrillers, bei dem trotz aller vorhandenen  Klischees nicht darauf verzichtet wird, eine dritte Dimension und auch Reflektion der Protagonisten einzubauen. Hier wird nicht glorifiziert und wenn der Zuschauer Tschillers Rachegelüste doch nachvollziehen kann, dann ist das mitnichten ein Zeichen einer zu platten Geschichte, sondern vielmehr dafür, dass das Drehbuch den Zuschauer gekonnt auf Tschillers Seite gezogen hat. Hier springt der erneut von Fahri Yardim gespielte Partner Tschillers ein, der deutlich macht, dass blinde Wut und Rache keine Lösungen sind.

Natürlich – das ist kaum ein Spoiler – erweist sich der offizielle Dienstweg wenig überraschend als ineffektiv und Tschiller bekommt doch noch seine Rache. Trotzdem bleibt ein Beigeschmack, nicht zuletzt durch den gekonnten Einbezug von Ralph Herforths gebrochenem Ermittler Kromer. An ihm zeigt sich auf erschreckende und keineswegs glamouröse Weise, wohin der Weg eines Tschiller führen kann, wenn er diesem weiter folgt.

Mag das Ende auch noch nicht geschrieben sein, die Reise von Kommissar Nick Tschiller geht in jedem Fall weiter. Zwei weitere TV-Krimis aus den Jahren 2015 und 2016 bilden die Grundlage für den 2016 gestarteten Ausflug auf die Kinoleinwand in TSCHILLER: OFF DUTY. Fortsetzung folgt- und steht der hiesigen Krimilandschaft komplementär zur Seite.

 

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