KRITIK: COSMIC SIN – INVASION IM ALL (DVD)

© Koch Films
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Autor: Dominik Starck

Bruce Willis‘ Karriere stirbt langsam. Seit Sylvester Stallone das Arbeitsethos des beliebten Kinostars der 80er und 90er Jahre 2013 mit „gierig und faul“ zusammenfasste, scheint sich Willis dieser Einschätzung seines früheren Geschäftspartners, Freundes und Kollegen vollumfänglich verschrieben zu haben. Getreu dem Motto „Jetzt erst recht“.

Doch jeder Film birgt eine neue Chance und so beleuchten wir heute, wie sich von Willis‘ neustem Streich tatsächlich eine direkte handwerkliche Verbindung zu seinem Erfolgsfilm THE SIXTH SENSE ziehen lässt.

Inhalt: In einer (sehr) fernen Zukunft wird der nicht gerade beliebte Ex-Soldat James Ford (Bruce Willis) reaktiviert, um eine außerirdische Invasion zu verhindern. Zusammen mit einer zusammengewürfelten Gruppe aus Soldaten und Wissenschaftlern bricht er zu einem fatalen Erstschlag gegen die Aliens lose, die in der Lage sind den menschlichen Körper zu übernehmen. Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit und um die Zukunft der gesamten Menschheit beginnt…

 

© Koch Films
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DAS „GHOSTS OF MARS“ EINER NEUEN GENERATION

Es ist so bedauerlich wie wahr, dass der Name Bruce Willis nicht mehr für das steht, wofür er berühmt geworden ist. Der frühere Kinostar ist nun Poster-Paps auf unzähligen Heimkino-Covern, wodurch er sukzessive seinen Status weiter unterminiert. Stimmt der Gehaltsscheck tritt Bruce Willis in deinem Film auf- das Drehbuch spielt dabei keine Rolle. Kurz gesagt hält Willis in so vielen Filmen wie möglich hochbezahlt sein Gesicht so kurz wie möglich in die Kamera. Monetär macht er dabei wohl mehr richtig als beispielsweise Action-Kollege Steven Seagal. Außerdem fördern beide Männer die unterschätzte Branche der Körperdoubles. Die Erwartungshaltung an einen Film mit Willis hat sich dadurch in den letzten Jahren gewandelt; vom fast sicheren Hitgarant zum fast sicheren Lieferanten für Online-Häme.

Um eines direkt klarzustellen; diese neuen Bruce-Willis-Filme sind mitnichten alle schlecht. Es finden sich darunter grundsolide Action-B-Movies wie EXTRACTION (2015) und MARAUDERS (2016) von Steven C. Miller oder PRECIOUS CARGO (2016) von Max Adams. Das Problem; keiner dieser Filme ist ein Bruce-Willis-Film, egal, wie sehr Trailer und Cover es einen glauben lassen wollen. Im Gegenteil hätten die Filme oft davon profitiert, einen deutlich unbekannteren Charakter-Darsteller für die Willis-Nebenrollen zu engagieren. Dann hätten jene Rollen mit Energie ihre Funktion erfüllt, statt abzulenken.

 

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Mit COSMIC SIN kehrt Willis nun in den Weltraum zurück, um die Menschheit zu retten. Frühere Unternehmungen dieser Art waren von Erfolg gekrönt, sei es mit Luc Bessons DAS FÜNFTE ELEMENT (1997) oder Michael Bays ARMAGEDDON (1998). Nun hat das Kreativteam Edward Drake und Corey Large mit Willis nacheinander zwei Sci-Fi-Filme gedreht, einer davon BREACH (2020), der andere eben COSMIC SIN. Large ist primär Produzent und hat früh den geisterhaften Psychothriller CHASING GHOSTS (2005) mit Michael Madsen gedreht. Beide Weltraum-Willis-Welten sind von ihm produziert, mit-geschrieben und er ist auch als Darsteller dabei (und macht als Willis‘ Wegbegleiter einen überraschend guten Job). Regisseur/Ko-Autor Drake und Large haben schon zuvor zusammengearbeitet (VAMPIRE DINNER, 2020), sodass man bereits eingespielt war. Bei zwei Drehtagen mit Willis ist so etwas von höchster Priorität.

Die schicken Hochglanzbilder von COSMIC SIN fing Brandon Cox ein, der unter anderem alle vorgenannten (und weitere) Action-B-Movies mit Willis als Kameraverantwortlicher eingefangen hatte. Darüber hinaus filmte er ESCAPE PLAN 2: HADES (2018) und 64 MINUTES (2019), die beide von Miller inszeniert wurden und extrem enge Zeitpläne hatten. Auch Cox war also Kostendruck gewohnt. Am Score kann man nicht viel mäkeln. Der wiederum stammt von Larges CHASING GHOSTS-Vertrautem Scott Glasgow, der auch HATCHET III (2013) vertonte.

Als geübter Willis-Veteran glaubt nach Ansicht von Trailer und Cover bereits den sprichwörtlichen Braten zu riechen. Willis wird nicht die Hauptrolle spielen, stattdessen hat man ja noch den kernigen Macho Frank Grillo am Start, der in den letzten Jahren einen späten Karrierestart als Actionstar bekommen hat (s. u.a. WHEELMAN, THE PURGE: ANARCHY, POINT BLANK, KINGDOM). Willis gibt wie immer einen Gastauftritt, stimmt‘s? Weit gefehlt!

 

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COSMIC SIN überrascht damit, dass Grillo tatsächlich nicht die Hauptrolle spielt, sondern unzeremoniell auf ein Abstellgleis manövriert wird, welches seine profillose Soldatenrolle noch dümmer dastehen lässt als Willis‘ Figur. Da hilft auch der an ARMAGEDDON erinnernde Schlussakt nicht. Willis wiederum spielt tatsächlich die zentrale Rolle- aber eben mit der Einschränkung nicht genug Zeit am Set zu verbringen. Hier offenbart sich ein fundamentaler Fehler des Drehbuchs beziehungsweise des Castings. Anders als andere Filme, die Willis wenigstens in eine Nebenrolle packen, die auf wenige Drehorte beschränkt ist, ist sein James Ford den ganzen Film über aktiv. Um das zu realisieren, setzten die Macher auf eine Mischung von Hinterkopf-Double und schnell gedrehten Shots. Sprich; man packt Willis in fast jede nötige Location, lässt ihn manchmal etwas sagen oder nur ein reagierendes Gesicht machen, sodass man ihn in Unterhaltungen integrieren kann, die zum Großteil ohne ihn gefilmt wurden.

Dadurch entsteht der Effekt, dass er zwar immer da und doch schnell übersehen ist. Es wirkt, als interagiere er nicht mit den anderen Figuren oder diese mit ihm (was ja auch der Realität entspricht). Hier zeigt sich, welch vergleichsweise meisterhafter Geschichtenerzähler M. Night Shyamalan ist, der Willis einst in THE SIXTH SENSE besetzte, weil Willis dem Studio noch einen Film schuldete und unterhalb seines üblichen Honorars arbeiten musste. Dennoch gelang Shyamalan eine Inszenierung, welche die Entfremdung von Willis‘ Rolle zu seiner Umwelt so subtil einfing, dass sie nie störend wirkte. In COSMIC SIN könnte Willis‘ Ford genauso gut eine Entität sein, die sich nicht bewusst ist, dass sie auf einer anderen Realitätsebene operiert als alle anderen. Während die Filmemacher krampfhaft versuchen, das losgelöste Arbeiten mit einem der Stars zu kaschieren, offenbaren sie dabei selbiges.

 

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Stellt sich die Frage, wer eigentlich die Hauptrolle spielt, wenn nicht Grillo und Willis? Nun, es gibt noch Newcomer Brandon Thomas Lee als Grillos Sohn und die erst spät ins Spiel kommende C.J. Perry (alias WWE-Star Lana), welche beide funktionieren aber etwas zu sehr auf taff machen. Außerdem sehen wir die vertrauten Gesichter von Lochlyn Munro (RIVERDALE) und Costas Mandylor (SAW-Franchise) in Nebenrollen, wobei Mandylor wenigstens ein paar Sympathiepunkte kassierte.

COSMIC SIN ist ein Sci-Fi-Abenteuer, dessen Prämisse irgendwo zwischen den charmanten SF-B-Movies der 80er Jahre und einer Folge STARGATE: ATLANTIS (2004-2009) angesiedelt und mit gut durchmischtem Ensemble darum bemüht ist, das begrenzte Budget zu überspielen. Technisch gibt es abseits der im Showdown arg nachlassenden Effekte wenig zu bemängeln, doch die Narrative humpelt deutlich früher und stärker. Die Geschichte wirkt, als habe man viel zu schnell ein solides Treatment in ein unüberlegtes Drehbuch umgesetzt, dabei zunehmend die Kontrolle verloren und dann noch fatal gecastet. Wenn man zwei Tage mit Willis hat, dann hätte man ihn besser auf Grillos General oder auf die oberste Wissenschaftlerin besetzt. In ersterem Fall hätte sich eine schöne Referenz an einen früheren Weltraum-Film von ihm ergeben und bei zweiterem hätte Bruce am Ende (Achtung Mini-Spoiler) mal den Antagonisten geben können. Schlussendlich ist es schade um die verspielte Chance. Die Renaissance der „Bruceploitation“ geht weiter. In den 70er Jahren stand der Begriff noch für die Ausbeutung des bereits verstorbenen Bruce Lee, heute kann die Bruceploitation zum Schlagwort des traurigen Herbsts für Bruce Willis‘ Karriere werden.

 

Cosmic Sin - Bewertung

 


 

Zur DVD: Eines muss man der deutschen Heimkinoveröffentlichung lassen; sie ist eine der hübschesten Bruce-Willis-Hüllen der letzten Zeit geworden. Selbst die DVD kommt in einem limitierten O-Ring-Schuber mit ablösbarem FSK-Sticker, während innen ein Wendecover steckt, das ebenfalls ohne störende FSK-Kennzeichnung auskommt. Das schicke Coverdesign spiegelt die gar nicht schlechte, poppige Optik des Films wider und man fühlt sich beinahe an die alten SF-B-Movies erinnert, die im Kielwasser von STAR WARS dereinst den Videothekenmarkt fluteten.

Die deutsche Synchronisation ist ebenfalls gelungen und hat unter anderem auch Willis‘ Stammsprecher Manfred Lehmann am Start. Die Disk startet auch gleich mit einem Trailer zu ANTI-LIFE (alias BREACH, 2020), dem fast zeitgleich produzierten anderen Science-Fiction-Abenteuer mit Willis. Das ist mal sinnvolle Cross-Promotion (gleiches gilt für den ANTI-LIFE-Flyer, welcher in der Hülle beiliegt und eine VÖ im Herbst 2021 ankündigt).

In Sachen Sonderausstattung wird die Luft etwas dünner. Eine Trailer-Show sowie eine selbstlaufende, musikunterlegte Bildergalerie mit Motiven von den Dreharbeiten bieten wenig mehr Tiefe als der Film selbst, sind aber zumindest besser als nichts.

Am Ende des Tages bleibt eine gelungene deutsche Veröffentlichung, von der man sich wünscht, dass der Film der Verpackung gerecht werden würde. So hat Dolphin Medien auf jeden Fall eines erreicht; obwohl ich längst an dem Punkt sein sollte, an dem ich trotz beruflicher Neugier einen Bogen um künftige Bruce-Willis-Heimkinofilme mache, werde ich in einigen Monaten für ANTI-LIFE wieder am Start sein und voller Hoffnung „Play“ drücken. Einige meiner Freunde aus der Branche berichten gar, dass sie so etwas wie Spielfreude bei Mr. Willis entdeckt hätten. Klingt wie Science-Fiction? Vielleicht. Aber es ist doch Science-Fiction, wie sie uns gefallen würde, oder?

 

COSMIC SIN erschien am 29. April 2021 digital und zwei Wochen später am 12. Mai 2021 auf DVD, Blu-ray und UHD im limitierten Sammelschuber.

DVD-Cover & Bilder © Koch Films.