KRITIK – HELL OR HIGH WATER

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© Paramount Pictures Germany

Autor: Tom Burgas

Zum Inhalt: Die Blende geht auf und die Kamera macht einen Schwenk um 180 Grad, dabei verfolgt diese ein Auto welches die besten Tage bereits hinter sich hat. Während das Fahrzeug hinter kleinen Wellblechbauten verschwindet liegt der Fokus vorne auf einer Frau die ihren Arbeitsalltag antritt und in die Bank geht. Ihr folgend, die beiden Herren aus dem Auto die bestimmt nicht vorhaben, ihr nur einen guten Morgen zu wünschen. Denn hier geht es um Tanner und Toby, die Banken überfallen um eine bestimmte Summe zusammenzubekommen damit Sie das alte Grundstück ihrer Mutter kaufen können bevor die Bank ihre gierigen Finger danach ausstrecken kann. Und schon der Anfang macht klar, wir sind hier in einem handwerklich schönen wie stimmigen Bastard von einem Film.

Das kommt natürlich nicht von ungefähr, das Drehbuch stammt vom selben kreativen Kopf wie „Sicario“ und das merkt man zum Glück an allen Ecken und Kanten, ohne das böse zu meinen oder als Abklatsch zu interpretieren. Eher freut man sich, dass man sich darauf einstellen kann endlich wieder einen Film für Erwachsene zu sehen, mit gut geschriebenen Figuren deren Weste weder weiß noch schwarz ist, diese eher mehrmals durch den Dreck gezogen wurde, aber immernoch bestens passt. Hier darf man sich auf schöne texanische Tugenden einstellen, so werden hier Hüte getragen, seine Schuhe vergisst man eher als seine Waffe an der Hüfte und wer einem blöd kommt sollte sich auf Flüssignahrung einstellen. Anders ausgedrückt, hier tummeln sich wunderbar extreme Charaktere. Doch all das bringt einem wenig wenn man nicht geeignete Schauspieler hat die das Ganze ausfüllen. Auch hier darf man die Hüte in die Luft werfen vor Glück, denn die Darsteller  liefern ab, als hätten sie schon jahrelang in der Einöde von Texas gehaust. Muss man über Jeff Bridges noch was sagen? Der darf die genannten Brüder mit einer alterweisen Schrulligkeit jagen,  dass es einem die Freudentränen in die Augen treibt und es gar nicht genug Szenen mit ihm geben kann. Dass er seinem halbindianischen Partner ohne Pause rassistische Phrasen vor den Latz haut ist dabei nur die Spitze des schauspielerischen und dabei sehr witzigen Eisberges.

 

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© Paramount Pictures Germany

Auf der anderen Seite haben wir Ben Foster und Chris Pine. Bei Foster wundert es wohl eher weniger, dass er absolut brilliert und man sich schon immer mehr wundern muss, dass er nicht zu den ganz großen in Hollywood gehört. Interessanter ist da schon Chris Pine, der ja schon eher in die Schönlingsecke gedrückt wird, aber spätestens wenn er in einer Szene zeigt, dass er es gar nicht begrüßt wenn jemand seinen Bruder blöd anmacht, weiß man dass der Dreck im Gesicht keine Staffage ist.

Als weiteren Hauptdarsteller darf man wohl die Landschaft nennen, weit, wunderschön und dabei dreckig und völlig aus der Zeit gefallen, wie die Bewohner. Wenn der Film mancherorts als Neowestern betitelt wird kann ich damit sehr gut einhergehen. Viel fehlt nicht mehr und man hätte das Neo weglassen können. Zum Glück bleibt das Rohe auch erhalten wenn es zu den Gewaltausbrüchen kommt. Diese sind auf den Punkt und realitätsnah gehalten, keine Zeitlupe oder ähnlich verspielter Kirmes die dem Ganzen eh nur geschadet hätten. Das Drehbuch hält sich selbst auch nicht mit Nebensträngen auf, die kein Mensch gebraucht hätte. Keine Liebelei am Rande oder kein moralischer Engpass mit dem sich eine Figur auseinandersetzen muss. Ein großer Jäger und zwei Gejagte und fertig ist der wunderbare Drecksack von einem Film, der keine Gefangenen macht und seinen Stil und seine Überzeugung bis zum Ende durchzieht. Dass die Sympatien auf beiden Seiten liegen beweist zusätzlich dass Regisseur David Meckenzie (Perfect Sense) jemand ist mit dem man in nächster Zeit rechnen kann.

 

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© Paramount Pictures Germany

Zuerst als Arthouse-Film gedacht der in nur wenigen Kinos gezeigt wird, führte das Einspiel, bisher 30 Millionen bei ca 12 Millionen Budget und die Preise sowie Nominierungen dazu, dass er jetzt doch breitgefächerter vermarktet wird. In einer Zeit in der Superhelden und glattgebügelte Popcornfilme das Geschehen dominieren kann man nur dankbar dafür sein. Wenn man ihm was vorwerfen könnte wäre es vielleicht dass ihm eine Actionszene mehr nicht geschadet hätte, gerade da die, die man zu Gesicht bekommt wunderbar kurz und unerbittlich daherkommen und man einfach gerne mehr davon sehen wollen würde.

Mit Absicht habe ich wenig über den Verlauf der Geschichte verraten, denn der Film lebt von der Atmosphäre und dem künstlerischen Aspekt. Der Storybogen ansich würde auf einen Bierdeckel passen, aber ein McKenzie macht daraus eben einen Film von dem ich dachte dass er im Kino fast schon ausgestorben ist, der ungeschliffene intelligente Film für ein eher erwachsenes Publikum ohne dabei „artsi fartsi“ zu sein. Und jetzt muss ich los….mein Jeff Bridges-Altar baut sich nicht von selbst.

 

Hell or High Water - Bewertung

Ab dem 03. August 2017 auf Blu-Ray, DVD und VOD erhältlich!

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