KRITIK: JIGSAW

© Studiocanal GmbH Filmverleih
© Studiocanal GmbH Filmverleih

Autor: Tobias Hohmann

Nachdem SAW alleine in Amerika knapp 56 Millionen Dollar einspielte, entstand jedes Jahr ein weiteres Sequel, das jeweils zu Halloween in den amerikanischen Kinos startete. Tatsächlich markierte SAW den Startschuss für das erfolgreichste Horror-Franchise überhaupt, denn insgesamt spielten die sieben Filme weltweit rund 880 Millionen Dollar ein.

Die Macher erwiesen sich dabei als ebenso einfallsreich wie mutig und ließen bereits in SAW 3 (2006) den charismatischen Jigsaw alias John Kramer sterben. Fortan wurde es natürlich immer schwieriger, ihn in den Fortsetzungen einzubauen und die Geschichte gleichzeitig sinnig weiter zu spinnen. Die Reihe verlor sich in Flashbacks und wurde immer verschachtelter und konstruierter. Daher kam es, wie es kommen musste: Da SAW 6 (2009) im Vergleich zum Vorgänger 50% weniger Umsatz generierte, wurde allen Beteiligten klar, dass das Franchise seinen Zenit überschritten hatte. Als Folge wurde der bereits geplante achte Teil kurzerhand eingestampft, und die Autoren Patrick Melton und Marcus Dunstan mussten ihre Story, die ursprünglich auf zwei Filme ausgelegt war, komplett umschreiben und in nur einem Streifen abhandeln – was sie bis heute kritisieren. SAW 3D (2010) beendete somit die beliebte Horror-Serie relativ unspektakulär und auch nur bedingt zufriedenstellend, ließ sich aber auch inhaltlich noch das eine oder andere Hintertürchen auf. In der Folge versuchten Lionsgate und Twisted Pictures vergeblich, mit der Wiederbelebung von TEXAS CHAINSAW MASSACRE ein neues Franchise aufzubauen. Daher überrascht es nur auf den ersten Blick, dass sieben Jahre nach dem letzten Film nun ein neuer SAW in die Kinos kommt – stilgerecht zu Halloween versteht sich. Doch was darf man von JIGSAW nun erwarten?

 

© Studiocanal GmbH Filmverleih
© Studiocanal GmbH Filmverleih

Wer bislang nichts mit den Sequels anfangen konnte, wird auch mit dem neuesten Ableger nicht glücklich werden. Obwohl der Trailer ein etwas anderes Bild suggerierte, bleibt man den eigenen Wurzeln treu und variiert lediglich das ebenso gängige wie erfolgreiche Muster. Wie in SAW 2 (2005) folgt man einer Gruppe von „Sündern“ durch diverse Fallen. Parallel dazu verlaufen die Ermittlungen der Polizei, die einerseits die Mordserie beenden, andererseits aber auch herausfinden wollen, ob John Kramer tatsächlich tot ist. Das ist weder besonders originell noch sonderlich packend, wobei die Handlung davon profitiert, dass die Whodunit-Rätselelemente im Vordergrund stehen und der Zuschauer somit von den einfallslosen und klischeebehafteten Charakteren und ihren Hintergründen abgelenkt wird. Denn die Figuren, seien es die Opfer, die Cops oder Ärzte sind äußerst schwach ausgearbeitet und bieten kein Identifikationspotential. Auch die Darsteller können keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, müssen jedoch auch gegen ein mutloses und zögerliches Skript agieren. Zudem sind die Fallen recht einfallslos, wobei man konstatieren muss, dass es eine weise Entscheidung war, den Gore-Level deutlich zurück zu fahren. Es gibt durchaus einige härtere Szenen im typischen Saw-Stil, aber man ist weit entfernt von den bisweilen unnötigen Exzessen der Vorgänger.

JIGSAW langweilt nicht, packt aber auch nicht wirklich und kreist zu sehr um die eigene, konstruierte Mythologie und die immer neuen Wendungen, die der lahmen Story etwas mehr Tiefe verleihen sollen. Dabei läuft nahezu alles auf die eine große Frage zu: Wie schaffen sie es denn diesmal, John Kramer einzubauen?

 

© Studiocanal GmbH Filmverleih
© Studiocanal GmbH Filmverleih

Das ist dann durchaus clever gelöst, wenngleich auch nicht sonderlich innovativ, weil Kenner der Reihe ahnen können, dass man einen ähnlichen Kniff bereits in einem früheren Teil angewendet hat. Aber wenn Tobin Bell dann auftaucht, nimmt der Streifen Dank des Charismas des mittlerweile 75-jährigen Mimen tatsächlich noch einmal Fahrt auf. Doch gleichzeitig ist das auch das Manko des Films und des Franchises an sich: Bell IST das Franchise. Ohne Jigsaw kein SAW. Und dieses Problem wird durch den achten Film nicht nur deutlich, sondern sogar noch vergrößert.

Stilistisch gibt es jedoch einige Unterschiede. Nicht nur, dass man den Gewaltgrad gedrosselt hat: Man entfernt sich vom eher kühlen Design inklusive des dunklen Farbfilters und setzt auch die Schnitte wesentlich gezielter und ruhiger ein. Das überrascht vor allem deswegen, weil hier erneut Kevin Greutert verantwortlich zeichnete, der bereits für die ersten fünf SAW-Streifen den Schnitt übernahm, und bei SAW 6 (2009) und SAW 3D gar den Regiestuhl bekleidete. Auf diesem sitzen nun Michael und Peter Spierig, die sich mit dem sehenswerten DAYBREAKERS (2009) und den phantastischen PREDESTINATION (2014) einen Namen machten und daher die Hoffnung nährten, dieser Fortsetzung ihren Stempel aufdrücken zu können. Die Regie ist handwerklich okay, jedoch völlig austauschbar, eine eigene Handschrift ist leider nicht erkennbar. Vielleicht wäre es besser gewesen, dem Duo auch das Drehbuch zu überlassen, denn die Vorlage von Pete Goldfinger und Josh Stolberg, die unter anderem das Skript zu PIRANHA 1+2 (2010/2012) lieferten, ist neben der grundsätzlichen Konstruktion das Hauptproblem von JIGSAW.

 

© Studiocanal GmbH Filmverleih
© Studiocanal GmbH Filmverleih

JIGSAW ächzt unter dem Gewicht der verschiedenen Anforderungen. So will er einerseits ein Neuanfang, fast ein Reboot sein, gleichzeitig soll er als eine Art Prequel aber auch Sequel funktionieren und Fans der Reihe ebenso zufriedenstellen, wie Neueinsteiger. Doch Fans der Reihe werden sich berechtigterweise am Kopf kratzen, weil der achte Film deutlich aus den sehr miteinander verwobenen sieben Vorgängern heraussticht und einige Elemente der bisherigen Fortsetzungen entweder ignoriert oder auf den Kopf stellt. Neueinsteiger können der Handlung zwar bequem folgen, werden jedoch nur bedingt nachvollziehen können, warum das „Comeback“ von John Kramer denn nun eine so große Sache ist.

Was jedoch viel bedeutsamer ist: Wenn ein Franchise wie dieses nach sieben Jahren reanimiert wird, muss am Ende des Tages einfach mehr herausspringen als ein launiges Best of, das irgendwie alle zufriedenstellen und keine Risiken eingehen will. Hier gab es offensichtlich kein Konzept, keine Idee, wie man die Reihe dauerhaft am Leben erhalten oder gar erneuern will. JIGSAW ist schlicht mutlos und bringt das Franchise nicht weiter, im Gegenteil: Die Schwächen werden deutlicher als je zuvor und es darf stark bezweifelt werden, das ein weiterer Teil – der nach dem zufriedenstellenden Startwochenende sicher schon in Planung sein dürfte – dieses Manko aufhebt.

 

Jigsaw - Bewertung

Ab dem 26. Oktober 2017 nur im Kino!

Kinoplakat & Bilder ©  Studiocanal GmbH Filmverleih.