KRITIK: KINDER DES ZORNS (BLU-RAY, 4K-UHD, DVD, VOD)

© Plaion Pictures
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Autor: Dominik Starck

Die Bezeichnung KINDER DES ZORNS könnte dieser Tage auch ein Euphemismus für Kritiken in sozialen Netzwerken sein. Sowohl generell, als auch spezifisch bezogen auf den 2023er Film gleichen Namens. Bei KINDER DES ZORNS handelt es sich stattdessen um das bereits zweite Remake beziehungsweise Reboot einer Horrorfilmreihe, die auf einer inzwischen 40 Jahre alten Kurzgeschichte von Stephen King basiert. Insgesamt ist die aktuelle Inkarnation von KINDER DES ZORNS bereits der 11. Film der Reihe – was ein Rekord für eine Kurzgeschichten-Adaption sein dürfte. Diesmal nahm sich Filmemacher Kurt Wimmer (EQUILIBRIUM) des Stoffes an – und drehte dabei gewissermaßen den einzigen Film der Welt!

Inhalt: Die zwölfjährige Eden Edwards (Kate Moyer) überlebt als Einzige einen Amoklauf im Waisenhaus und versteckt sich im nahen Maisfeld. Was sie nicht weiß: in dem Feld verbirgt sich eine finstere Macht, der sie ausgesetzt wird. Als die verzweifelten Farmer des Dorfes nach einigen Missernten den Verkauf ihrer Felder beschließen, stellt Eden sich ihnen entgegen. Sie scharrt die anderen Kinder des Dorfes um sich und beschließt, alle Erwachsenen zu töten und der düsteren Macht des Maisfeldes zu opfern. Nur die etwas ältere Bo (Elena Kampouris) stellt sich dem mörderischen Mob entgegen …

 

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MAIS, MAIS, BABY!

Der erste KINDER DES ZORNS-Kinofilm (im Original: CHILDREN OF THE CORN) kam bereits 1984 in die Kinos. Horrorfilme, insbesondere mit dem Namen Stephen King auf dem Poster, konnten damals kaum fehlschlagen und so spielte auch KINDER DES ZORNS seine Kosten um ein vielfaches wieder ein. Über die Jahre blieb der veritable Erfolgstitel dank der Videotheken gefragt, weswegen man ihm in den neunziger Jahren zahlreiche Fortsetzungen folgen ließ. Abgesehen von Motiven wie mordlustigen Kindern und unheimlichen Maisfeldern gab es wenige Konstanten und über die Qualitäten der einzelnen Fortsetzungen könnte man trefflich diskutieren. 2001 schien die Reihe mit dem siebten Teil zu Grabe getragen worden zu sein. Ein 2009 für das amerikanische Fernsehen produziertes Remake beflügelte die Reihe ein paar Jahre später erneut. Es folgten zwei weitere Filme in loser Reihenfolge, doch es war klar, dass man künftig einen neuen Ansatz brauchte.

Was wäre da besser geeignet, als ein Reboot? Der Name Stephen King zieht noch immer, die Ernte der alten Reihe wurde ohnehin einmal zu viel eingefahren, und wenn man auf den großen Maiskolben schwören muss, kann man sich wohl eingestehen, dass schon der erste Kinofilm gerade einmal durchschnittliche Standardkost geliefert hat. Ein Reboot oder erneutes Remake bietet also zumindest noch Luft nach oben und muss sich nicht mit einem unschlagbaren Klassiker des Horrorfilms vergleichen lassen (etwas, woran Reihen wie HALLOWEEN immer wieder ganz oder teilweise scheitern).

 

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Dass man den Horrorstoff ausgerechnet Filmemacher Kurt Wimmer anbot, überrascht indes, wird der Name Wimmer doch stets primär mit dem Actiongenre assoziiert. Besonders als Autor von EQUILIBRIUM, DER EINSATZ, STREET KINGS, GESETZ DER RACHE, SALT oder jüngst THE BEEKEEPER scheint seine Prädisposition klar zu sein. Doch das Soldatenkind, welches einen Teil seiner Jugend in Berlin verbracht hat, liebte schon damals Horrorgeschichten und hat als Teenager sogar versuchte, per Petition für die in Deutschland stationierten Amerikaner mehr Horrorfilme in den Armee-Sender zu schleusen.

Er nahm das Angebot für eine Neuinterpretation von KINDER DES ZORNS daher nur zu gerne an, auch wenn er später in einem Interview klarstellte, dass es sich für ihn eher nicht um einen klassischen Horrorfilm handele. Horrorfilme, so Wimmer, bräuchten stets das Übernatürliche, sonst sei es doch eher ein Thriller. Wer frühere Verfilmungen der King-Geschichte kennt, mag über diese Aussage stolpern, doch Wimmer fand hier tatsächlich einen cleveren Ansatz, sich wie die frühen Folgen von AKTE X – DIE UNHEIMLICHEN FÄLLE DES FBI zu positionieren: Es gibt je nach persönlichem Gusto des Betrachters eine mögliche übernatürliche und natürliche Interpretation dessen, was man gerade gesehen hat.

Hier zeigt sich, dass Wimmer als Autor seinen ganz eigenen Zugang zu der Materie gesucht und gefunden hat – und das bei einem elften Film einer zerfaserten Reihe, deren erstes Remake auch schon wieder eine Dekade zurück liegt. Keine geringe Leistung.

 

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QUARANTÄNE-POPCORN

Erneut stellen sich also Kinder gegen Erwachsene, etwas, was schon im ersten Film die Glaubwürdigkeit stark strapazierte. Das Fernseh-Remake bekam dieses Kernelement etwas glaubwürdiger umgesetzt und trotzdem musste das Publikum manche Kröte schlucken. Wimmer sah die Kinder jedoch nicht als Bedrohung an. Seine zornigen Minderjährigen sind die Helden. Sie sind Revoluzzer, begehren auf, stellen sich gegen das selbstsüchtige und kurzsichtige Denken der Erwachsenen, welche sie ohnehin nie gut behandelt haben.

Dieser Ansatz lässt die inzwischen etwas abgenutzte Geschichte der schaurigen Maisfelder und des mystischen Monsters „He who walks“ deutlich besser aussehen als zuvor. Und das im doppelten Sinne, denn auch visuell sah die Geschichte noch nie so gut wie in Wimmers Neufassung aus. Wie bei seinen anderen Regiearbeiten zeigt Wimmer, wie bewusst er Farben einzusetzen versteht, sie akzentuiert oder eliminiert. Keine zwei seiner Filme sehen gleich aus und doch passen Look und Stil stets aufeinander. Auch der Score weiß zu gefallen und die beiden noch relativ unbekannten Kinder-Stars lassen schnell vergessen, dass der Film generell kaum bekannte Gesichter bietet. Gerade bei Kinderperformances muss man oft Abzüge machen, was einer Geschichte wie KINDER DES ZORNS das Genick brechen kann. Nicht so in diesem Fall. Die Kanadierin Kate Moyer hatte ihre erste Mini-Rolle im Stephen-King-Remake ES (2017) und dreht inzwischen viel fürs Fernsehen, während Elena Kampouris neben SACRED LIES vor allem Filmrollen übernahm.

Dank einiger gut konstruierter Bilder (Stichwort Gasmaske) und der Leistungen der beiden Darstellerinnen gelingt diesem KINDER DES ZORNS vor allem das Kunststück, dass man über lange Strecken vergisst, dass die Bedrohung nur von kleinen Kindern ausgeht, welche die Erwachsenen in den Griff bekommen sollten. Das ist teilweise auch der harten Konsequenz von Wimmers Erzählung zu verdanken, die genau weiß, was sie zeigen und was sie aussparen muss.

 

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Im März 2023 startete der mit wenigen Kopien und einiger Verspätung in den amerikanischen Kinos, im Dezember lief er in ausgewählten deutschen Kinos. Aus unerfindlichen Gründen wird vielerorts 2020 als Veröffentlichungsjahr angegeben, doch im Jahr 1 der Corona-Pandemie wurde der Film gerade erst gedreht – in Australien! Als Filmteam und Schauspieler gerade gelandet waren, mussten sie direkt in Quarantäne und es war Wimmers langjährigem Produzent Lucas Foster (EQUILIBRIUM, MANN UNTER FEUER) zu verdanken, dass dieser nicht den Stecker zog, sondern die Produktion durchzog. Während überall auf der Welt Produktionen abgesagt oder abgebrochen wurden, pflanzte Wimmers Crew Maisfelder in Australien. Für eine Weile war KINDER DES ZORNS zum ersten Mal in rund 100 Jahren Filmgeschichte die einzige offiziell aktive Filmproduktion. Man überstand die Dreharbeiten auf der Höhe der Sanktionen und Lockdowns ohne einen einzigen positiven Test und fackelte am Ende die Maisfelder wieder ab.

Zum ganz großen Wurf reicht es für den fertigen Film durch die abgegriffene Prämisse vor allem für ein kundiges Publikum dann doch nicht. Wäre die Geschichte Popcorn, es würde nicht vollständig aufpoppen. Während der Film durchgängig spannend bleibt, fehlt es ihm ein wenig am Horror, zumal man im Finale vieles weit im Voraus kommen sieht. Das mindert den Unterhaltungseffekt aber nur marginal. Nimmt man die Verklärung der Achtziger beiseite, dann dürfte dies immerhin der bisher beste Film der Reihe sein.

 

Kinder des Zorns - Bewertung

Veröffentlichung: KINDER DES ZORNS ist ab 28. März 2024 auf 4K Ultra HD, Blu-ray, DVD und Video on Demand bei PLAION PICTURES. Als Bonusmaterial werden einige geschnittene Szenen gereicht.