Autor: Tom Burgas
Zum Inhalt: Auf dem Weg zur Arbeit bringt der Berliner Bauunternehmer Karl Brendt (Wotan Wilke Möhring) noch schnell seine Kinder Josefine (Emily Kusche) und Marius (Carlo Thoma) zur Schule. Doch bereits kurz nachdem er das Auto startet, erhält er einen Anruf: Der Unbekannte am anderen Ende der Leitung droht damit, eine Bombe, die unter dem Sitz versteckt ist, in die Luft zu sprengen, sollten Karl oder die Kinder versuchen auszusteigen!
Vom Auto aus soll Karl in kürzester Zeit eine große Summe Geld beschaffen. Als seine Ehefrau Simone (Christiane Paul) ihn verdächtigt, die gemeinsamen Kinder entführt zu haben, nimmt auch die Polizei die Verfolgung von Karl auf und schaltet Sprengstoffexpertin Pia Zach (Hannah Herzsprung) ein. Es beginnt ein tödlicher Wettlauf gegen die Zeit: Der Bombe ausgeliefert und von der Polizei verfolgt, versucht Karl Brendt verzweifelt, seine Kinder und sich zu retten.
Um eines vorweg zu sagen: seit ca. 5 Jahren kann man deutlich erkennen, wie es mit dem deutschen Film aufwärts geht. Nicht mehr gefühlt jede Produktion beschäftigt sich mit Vergangenheitsbewältigung oder zeigt die gleichen Gesichter in romantischen Komödien. „Victoria“, „Tiger Girl“, „Der Nachtmahr“ oder „Tigermilch“ sind nur einige gute Beispiele der letzten Zeit. Wer immer noch die alte Klischeemeinung hegt, dass der deutsche Film nichts taugt, liegt einfach falsch. Ein Regisseur, der ganz vorne mitmischt, ist Christian Alvart. Er hat sich seine Sporen bereits in Übersee verdient, gehen doch qualitativ hochwertige Filme wie „Case 39“ mit Renee Zellweger und „Pandorum“ mit Dennis Quaid auf seine Rechnung. Hierzulande hat er mit Til Schweiger „Tschiller: Off Duty“ in die Kinos gebracht, welcher eindeutig unter dem schlechten Ruf seines Hauptdarstellers Til Schweigers litt, denn handwerklich stellte der Tatort-Kinoausflug schöne altmodische Action dar, die wenig falsch machte und gute Unterhaltung bot. Übrigens arbeitet Alvart seit Jahren an den Vorbereitungen zu einer Realverfilmung der SF-Zeichentrick-Kultserie „Captain Future“. Bis dahin dürfte aber noch etwas Zeit vergehen.
Bei seinem aktuellen Streifen STEIG.NICHT.AUS! handelt es sich um ein Remake des franko-spanischen Thrillers „Anruf: Unbekannt“ aka „Retribution“ von 2015. Es geht um einen Familienvater, der mit seinen Kindern in seinem Auto sitzt und per Telefon die Nachricht bekommt, dass er eine bestimme Summe Geld beschaffen soll, ansonsten geht das Auto in die Luft. Austeigen ist keine Option!
Eine relative eingängige Ausgangslage, aus der man etwas machen kann, belegen doch Filme wie „Nicht Auflegen“ oder „No Turning Back“, dass Kammerspiele das Herz mehr zum Rasen bringen können als die größten Explosionen. So etwas in Berlin spielen zu sehen, ist eine Kirche auf der Vorfreudetorte. Dank verschiedener Förderungen und der Beteiligung des ZDF bekamen die Produzenten ein stattliches Budget von 2,5 Mio Budget zusammen. Zudem konnten sie einen namhaften Cast verpflichten: Wotan Wilke Möhring, Christiane Paul, Hannah Herzsprung, um nur einige zu nennen. Trotz der guten Voraussetzungen ist STEIG.NICHT.AUS! nicht der ganz große Wurf geworden.
Angefangen bei der klischeehaften und zu langen Einleitung bis hin zur anfänglichen Charakterisierung – die man auch im Verlauf der Geschichte hätte erweitern können – läuft so einiges nicht rund. So hätte man sich 20 Minuten sparen können, die der Film im Mindestmaß zu lang ist. Auch geht einem der ständige Lärmpegel zu Beginn stark auf die Nerven. Dann allerdings kommt es zu einer Explosion, die einem ziemlich aus der Lethargie zieht. Von dem Moment an reißt einem der Film an sich, der durch diverse Eskalationen deutlich mehr an Fahrt gewinnt. Spätestens, wenn sich die Polizei einschaltet, schwenkt Alvart das Steuer rum und aus dem Kammerspiel wird ein Thriller samt portionierter Action-Elemente. Mit der Dynamik kommen leider auch die Logiklücken. Die Charaktere handeln mitunter unglaubwürdig und bei einigen fragt man sich gar, warum sie plötzlich diese und jene Fähigkeiten besitzen. Auch muss man leider sagen, dass Wotan Wilke Möhring in ein schlechtes Licht gerückt wird. Seine emotionalen Ausbrüche nimmt man ihm nicht immer ab.
Emily Kusche, welche die Tochter von Karl mimt, kann dagegen spätestens ab der 2. Hälfte richtig punkten, als sie eine wunderbare emotionale Situation an sich reißt. In dieser Szene – wie auch bei genannter Explosion – zeigt sich, was man noch alles aus dem Stoff hätte herausholen können. Aus inszenatorischer Sicht gibt es einige toll gefilmte Sequenzen. Vor allem eine Plansequenz gegen Ende ist besonders sehenswert. Auf diesem Gebiet kann sich der Regisseur nichts vorwerfen lassen. Kameraeinstellungen, Locations, Stunts, das passt alles! Wie schnell man allerdings innerhalb eines Schnittes von einem Bezirk in den anderen kommt, grenzt an Zauberei. (Anmerkung der Redaktion: Der Autor kommt aus Berlin).
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