KRITIK – ELECTRIC BOOGALOO – THE WILD, UNTOLD STORY OF CANNON FILMS

© Ascot Elite
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Autor: Tobias Hohmann

Inhalt: In den späten 70er Jahren zieht es die mit der „Eis am Stiel“-Serie zu bescheidenem Ruhm und Reichtum gekommenen israelischen Filmproduzenten Menahem Golan und Yoram Globus nach Hollywood. Dort erwerben sie für wenig Geld die im Straucheln befindliche B-Movie-Company Cannon und schaffen sich mit so billig wie rücksichtslos produzierten Actionfilmen und Sexkomödien sowie ihren berüchtigten Werbekampagnen einen schillernden Ruf als die größten Schlitzohren vor Ort. Doch Golan/Globus wollen mehr, am liebsten einen Oscar.

Wer in den 80er-Jahren aufwuchs kam an den Cannon-Filmen nicht vorbei. Das von den beiden Cousins Menahem Golan und Yoram Globus geführte Independent-Studio brachte teilweise über 30 Filme pro Jahr ins Kino und ist heute vor allem wegen seiner Actionfilme bekannt. Neben der langjährigen Zusammenarbeit mit den Genre-Stars Chuck Norris und Charles Bronson waren es vor allem günstig produzierte B-Movies wie AMERIAN FIGHTER (1985), die den US-Durchbruch für die beiden israelischen Filmproduzenten bedeuteten. Doch Cannon sollte mehr sein als ein florierendes Independent-Studio – insbesondere Golan wollte einerseits endlich den ganz großen Hit landen und andererseits auch von der Kritik anerkannt werden. Nachdem einige Großproduktionen wie OVER THE TOP (1987) und SUPERMAN 4 (1987) nicht den erhofften Umsatz brachten, und sich dazu andere Geschäftsfelder als höchst defizitär erwiesen, brach Cannon Ende der 80er- beziehungsweise Anfang der 90er-Jahre ebenso auseinander, wie die Verbindung von Golan und Globus. Über Jahre hinweg war es relativ ruhig um Cannon und die beiden Produzenten, doch nachdem sich insbesondere die 80er Jahre – und damit auch die Filme des Studios – zu einer Art Popkultur-Phänomen entwickelten, entdeckte man die Ära und die Produktionen von Cannon neu. Die vorliegende Dokumentation ELECTRIC BOOGALOO ist dementsprechend nur die logische Konsequenz dieser bisweilen schon kultisch anmutenden Verehrung von Cannon.

 

© Ascot Elite
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Der Australier Mark Hartley hatte bereits die Dokumentation NOT QUITE HOLLYWOOD: THE WILD, UNTOLD STORY OF OZPLOITATION (2008), die den Aufschwung der australischen Filmindustrie in den 70er- und 80er-Jahren thematisierte, umgesetzt, so dass die Affinität für Cannon nicht verwundert. Er organisierte bereits einige Gesprächspartner und legte den Grundstein für die Finanzierung des ehrgeizigen Projekts, doch richtig Fahrt nahm ELECTRIC BOOGALOO erst auf, nachdem Hollywood-Regisseur Brett Ratner einstieg. Fortan ließ Hartley die Fangemeinde nahezu täglich an dem Entstehungsprozess teilhaben und gab immer wieder neue, teils hochkarätige Interviewpartner bekannt, so dass die einst so kleine Dokumentation für immer mehr Aufsehen sorgte. Alte und neue Cannon-Fans sehnten dem Release entgegen und sorgten für reichlich Mundpropaganda. Der Trailer hingegen rief gemischte Reaktionen hervor – und genau das wird auch das finale Produkt tun.

Es gilt schlicht zu unterscheiden, wer die Zielgruppe von ELECTRIC BOOGALOO sein soll. Richtet sich die Dokumentation an ein Publikum, das lediglich unterhalten werden will und vielleicht einige Filme des Studios kennt, hat man alles richtig gemacht. Es wird ein grober Überblick über die Biographien von Golan /Globus gegeben, der langsame Aufstieg wird angemessen thematisiert. Dazu fährt man zahlreiche Interviewpartner auf (Boaz Davidson, Richard Chamberlain, Michael Dudikoff, Dolph Lundgren, Tobe Hooper, Franco Neri und noch viele andere) und ist auch technisch gänzlich auf der Höhe, wenn man ältere Interviews und Filmausschnitte adäquat in diese Interviews hineinschneidet. Dazu suchte man die schönsten und witzigsten Anekdoten heraus, so dass man staunend und lachend von einem Filmclip zum nächsten Interview-Schnipsel „gejagt“ wird. Gerade für die oben genannte Zielgruppe ist das extrem temporeich, witzig, unterhaltsam und im gewissen Maße auch aufklärend.

 

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Auch für Fans der damaligen Zeit und speziell von Cannon ist das gebotene Potpurri aus Interviews, Archiv-Aufnahmen und Filmeinspielungen zweifelsfrei unterhaltsam und amüsant. Durch die Vielzahl von Interview-Partnern erfährt man auch sicherlich die eine oder andere Anekdote, die man bislang nicht kannte. Doch trotzdem vergibt Hartley mit der gewählten Herangehensweise eine große Chance, weil er die eigentliche Thematik nur sehr oberflächlich angeht und wenig bis kaum in die Tiefe geht. Kaum ein Interviewpartner hat mehr als 3-4 Minuten Screentime und dient in der Regel nur dazu, eine weitere amüsante Geschichte zum besten zu geben. Statt der angekündigten Huldigung gibt sich Hartley überwiegend damit zufrieden, Cannon als eine Art Missverständnis, als Witz darzustellen. Man macht sich zwar nur in wenigen Szenen unangenehm über Golan/Globus lustig, aber im Grunde reduziert sich die Dokumentation darauf, die Cannon-Ära und die Art und Weise, wie die beiden Israelis ihre Projekte umsetzten, als Riesen-Joke und naiv darzustellen. Warum ausgerechnet diese beiden Hollywood dermaßen auf den Kopf stellen konnten, warum sie so viel Einfluss hatten, die Regeln zu ändern, oder wie genau Cannon nun in die Pleite rutschte, wird allenfalls kurz angerissen, aber nie wirklich thematisiert. Golan und Globus haben gerade in der Retrospektive eine unschätzbaren Anteil an der Entwicklung auf das Kino der 80er-Jahre – geschäftlich und kreativ. Cannon war mehr als ein Missverständnis, mehr als ein Witz, und das ist auch einer der Gründe, warum sich heute wieder so viele Menschen für Cannon interessieren. Doch diese Dinge werden nur am Rande angekratzt, wobei vor allem das Ende deutlich macht, was aus ELECTRIC BOOGALOO hätte werden können.

Zudem fehlt eine gewisse Stringenz, denn man wechselt teilweise willkürlich Interviewpartner und zeitliche Abläufe und hetzt den Zuschauer von einer Geschichte zum nächsten Einspieler. Hier wäre weniger mehr gewesen. Statt gefühlte 80 Personen zu Wort kommen zu lassen, wäre es die klügere und nachhaltigere Entscheidung gewesen, sich nur auf die prägnantesten Figuren des Cannon-Kosmos zu fokussieren, diesen dann jedoch mehr Zeit zu widmen, um etwas stärker hinter die Fassade der zweifelsfrei amüsanten Anekdoten schauen zu können. So bleibt trotz des großen Unterhaltungswertes ein etwas unbefriedigender und schaler Nachgeschmack.

 

Electric Boogaloo - Bewertung

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Quelle: www.ascot-elite.de

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One thought on “KRITIK – ELECTRIC BOOGALOO – THE WILD, UNTOLD STORY OF CANNON FILMS

  1. Die Kritik kann ich fast 1:1 unterschreiben! Ich würde vielleicht auf 7/10 aufrunden, aber letztlich eine tolle und absolut zutreffend Zusammenfassung zu „Electric Boogaloo – The Wild, Untold Story of Cannon Films“.

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